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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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früher besucht haben, und wie sie sich’s bei Champagner
und Kaviar und Zigeunermusik Wohlsein ließen. Natürlich sind sie samt und
sonders adliger Herkunft.«
    »Eigentlich eine Schande, daß sie gefangengehalten
werden und Hunger leiden.«
    »Nun ja, im Grunde begreifen sie nicht, daß sie
Gefangene sind – ebensowenig wie die Kavallerie-Offiziere. Sie sehen sich
anders: ganz ihrem Beruf ergeben, wie ein Ritterorden oder dergleichen. Die
Mitgliedschaft des Vogelhauses ist schließlich auf Raub- beziehungsweise
Greifvögel beschränkt, verstehst du, und das hilft ungemein. Sie wissen, daß
von den niederen Klassen niemand Zutritt hat. In den Volieren sind keine Amseln
oder derlei Kleinzeug. Und was den Hunger betrifft: sie sind keineswegs am
Verhungern. So ist das nun auch wieder nicht. Sie befinden sich im Training,
weißt du, und wie alle, die in hartem Training sind, denken sie ans Essen.«
    »Wann kann ich denn anfangen?«
    »Du kannst jetzt schon anfangen, wenn du willst.
Mein Innen-Blick sagt mir, daß Hob eben fertig geworden ist. Zuerst aber mußt
du dir aussuchen, was für ein Falke du gern sein möchtest.«
    »Ich möcht’ gern ein Zwergfalke, ein Merlin, sein«,
sagte Wart höflich.
    Diese Antwort schmeichelte Merlin. »Eine ausgezeichnete
Wahl«, sagte er, »und wenn’s dir recht ist, können wir sogleich beginnen.«
    Wart stand von seinem Stuhl auf und stellte sich
vor seinen Lehrer. Merlin legte seine Strickarbeit hin.
    »Zuerst wirst du klein«, sagte er und drückte ihn
auf den Kopf, bis er etwas kleiner als eine Taube war. »Dann stehst du auf den
Ballen deiner Zehen, beugst die Knie, hältst die Ellbogen an die Seite, hebst
die Hände in Höhe deiner Schultern und preßt die ersten und zweiten Finger
zusammen, desgleichen die dritten und vierten. Sieh mal: so.«
    Mit diesen Worten stellte sich der Meister der
Magie auf die Zehenspitzen und tat, wie er erklärt hatte.
    Wart machte ihm alles genau nach und fragte sich,
was nun geschehen werde. Es passierte dies: Merlin, der die letzten
Zauberformeln unhörbar vor sich hin gemurmelt hatte, verwandelte sich in einen
Kondor und ließ Wart stehen, auf Zehenspitzen, unverändert. Da hockte er, als
trockne er sich in der Sonne, mit einer Spannweite von an die elf Fuß, einem
hellorangefarbenen Kopf und einem purpurnen Karbunkel. Er blickte recht
überrascht drein und reichlich komisch.
    »Kommt zurück«, sagte Wart. »Ihr habt den falschen
verwandelt.«
    »Das kommt durch dies Heilige-Jungfrau-Reine machen«,
brummte Merlin und verwandelte sich zurück. »Kaum läßt man eine Frau für eine
halbe Stunde ins Studierzimmer, da findet man nichts mehr an seinem Platz. Es
ist wie verhext. Steh auf – wir versuchen’s nochmal.«
    Diesmal spürte der nun winzige Wart, wie seine
Zehen sprossen und auf dem Boden kratzten. Er spürte, wie seine Hacken sich
hoben und nach hinten ragten und wie ihm die Knie in den Magen drückten. Seine
Schenkel wurden kurz. Ein Hautgeflecht breitete sich von den Handgelenken bis
zu den Schultern aus, während aus seinen Fingerspitzen das Kleingefieder wuchs.
Das Großgefieder sproß an den Unterarmen, und vom Ende jedes Daumens brach
falsches Kleingefieder hervor.
    Das Dutzend Federn seines Stoßes mit den doppelten
Querbinden in der Mitte schoß im Handumdrehen heraus, und die Schutzfedern an
Brust und Schultern und Rücken schlüpften aus der Haut, um die Kiele der wichtigeren
Pelzdunen zu bedecken. Wart warf einen schnellen Blick zu Merlin hin, duckte
den Kopf zwischen die Beine und hielt dort Ausschau, schüttelte sein Gefieder
und kratzte sich mit der scharfen Kralle einer Zehe am Hals.
    »Gut«, sagte Merlin. »Jetzt hüpf auf meine Hand –
au, nimm dich in acht und krall dich nicht fest – und hör zu, was ich dir sage.
Ich bringe dich jetzt ins Vogelhaus – Hob hat alles für die Nacht bereitet –
und lasse dich ohne Haube bei Balin und Balan sitzen. Jetzt gib Obacht. Nähere
dich keinem, ohne dich vorher bemerkbar zu machen. Du darfst nie vergessen,
daß die meisten eine Haube tragen, weshalb sie leicht erschrecken und etwas Unbesonnenes
tun. Baiin und Balan kannst du vertrauen, ebenso dem Turmfalken und dem
Sperber. Der Falkin darfst du nicht in die Nähe kommen – es sei denn, sie
fordere dich dazu auf. Auf gar keinen Fall darfst du dich Cullys Käfig nähern,
denn der trägt keine Haube und geht durchs Gitter auf dich los oder macht sonst
was. Er ist nicht recht bei Sinnen, der arme Kerl, und wenn er dich

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