Der König auf Camelot
Grummore.
»Lump«, sagte König Pellinore.
Sie machten kehrt und marschierten, vor Entrüstung
schnaubend, in ihre Ecken.
»Schwindler«, schrie Sir Grummore.
»Biestiger Prahlhans«, schrie König Pellinore.
Hiermit sammelten sie all ihre Kräfte für die
entscheidende Begegnung, beugten sich vor, senkten die Köpfe wie zwei
Ziegenböcke und sprinteten gegeneinander zum abschließenden Schlag. Indes: die
Richtung stimmte nicht. Sie verfehlten einander um etwa fünf Schritt, jagten im
Volldampf aneinander vorbei, gut acht Knoten schnell, wie zwei Schiffe, die
sich nächtens begegnen, ohne miteinander zu reden, und sausten ihrem Untergang
entgegen. Beide Ritter wirbelten mit ihren Armen wie Windmühlenflügel, entgegen
dem Uhrzeigersinn, in dem vergeblichen Bemühen, ihre Fahrt zu verlangsamen. Beide
rollten mit unverminderter Geschwindigkeit weiter. Dann rammte Sir Grummore
seinen Kopf gegen die Buche, auf der Wart saß, und König Pellinore kollidierte
mit einer Kastanie am anderen Ende der Lichtung. Die Bäume bebten, der Wald
erklang, Amseln und Eichhörnchen fluchten und wetterten, und Ringeltauben
verließen eine halbe Meile im Umkreis ihr luftiges Lager. Die beiden Kämpen
standen in Habachtstellung, während man bis drei zählen konnte. Mit einem
letzten einstimmigen melodischen Klirren fielen sie dann der Länge nach auf
den schicksalhaften Rasen.
»Ohnmächtig«, sagte Merlin, »möcht’ ich meinen.«
»Du meine Güte«, sagte Wart. »Sollen wir nicht
runterklettern und ihnen helfen?«
»Wir könnten sie mit Wasser begießen«, sagte Merlin
nachdenklich, »wenn’s hier Wasser gäb’. Andererseits würden sie es uns kaum
danken, wenn wir ihnen ihre Rüstung rostig machten. Sie werden schon zu sich
kommen. Außerdem ist’s an der Zeit, daß wir uns nach Hause begeben.«
»Aber vielleicht sind sie tot!«
»Sie sind nicht tot. Ich weiß das. In zwei oder
drei Minuten kommen sie zu sich und gehn dann nach Hause zum Essen.«
»Der arme König Pellinore hat kein Zuhause.«
»Dann wird Sir Grummore ihn einladen, bei ihm zu
übernachten. Wenn sie zu sich kommen, sind sie die besten Freunde. So ist das
immer.«
»Meint Ihr wirklich?«
»Mein lieber Junge, ich weiß es. Mach die Augen zu,
und es geht los.«
Wart fügte sich Merlins überlegenem Wissen. »Was
meint Ihr«, fragte er mit geschlossenen Augen, »hat Sir Grummore ein
Federbett?«
»Vermutlich.«
»Gut«, sagte Wart. »Da wird König Pellinore sich
freuen, auch wenn er ohnmächtig war.«
Die lateinischen Worte wurden gesprochen, die geheimen
Gebärden gemacht. Der Trichter aus pfeifendem Geräusch und rotierendem Raum
nahm sie auf. Zwei Sekunden später lagen sie im Schatten der Tribüne, und die
Stimme des Feldweibels rief von der entfernten Seite des Turnierplatzes: »Aber
nich doch, Master Art, nich doch. Ihr habt nu lang genug gedöst. Nu kommt aber
inne Sonne, hier zu Master Kay, eins-zwei, eins-zwei, un laßt Euch ma’n
richt’ges Lanzenstechen zeigen.«
KAPITEL 8
Es war ein kalter, nasser
Abend, wie er auch gegen Ende August vorkommen kann, und Wart wußte nicht, wie
er’s im Hause aushalten sollte. Einige Zeit verbrachte er im Zwinger und sprach
mit Cavall; dann schlenderte er in die Küche, um beim Drehen des Bratspießes zu
helfen. Dort jedoch war’s zu heiß. Wegen des Regens durfte er auf Geheiß der
weiblichen Respektspersonen nicht nach draußen – wie dies bei den
bedauernswerten Kindern unserer Generation allzu häufig der Fall ist – , doch
hielt ihn schon die Nässe und Öde dort draußen davon ab, das Haus zu verlassen.
»Verdammter Bengel«, sagte Sir Ector. »Hör um des
lieben Himmels willen auf, am Fenster rumzulungern! Geh los und such deinen
Tutor. Als ich ein Junge war, da haben wir an Regentagen immer gelernt, ja, und
uns fortgebildet.«
»Wart ist doof«, sagte Kay.
»Nun lauf schon, mein Täubchen«, sagte das alte Kindermädchen.
»Ich ha’ jetzt kein’ Zeit, mich mit dein’ Flausen abzugeben, wo ich die ganz’ Wascherei
am Hals hab’.«
»Ja, geht lieber, junger Herr«, sagte Hob. »Ist
besser, als wie wenn Ihr das Vogelzeug unruhig machen tut.«
»Nich doch, nich doch«, sagte der Weibel. »Laßt
mich in Ruh. Mir reicht die Putzerei vonnen Rüstungen.«
Sogar der Hundejunge blaffte ihn an, als er wieder
in den Zwinger kam.
Wart verzog sich ins Turmzimmer, wo Merlin damit
beschäftigt war, sich eine Nachtmütze für den Winter zu stricken.
»Ich nehme jetzt
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