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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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gelernt hatte. Der Waffenstillstand wurde geschlossen, und die Armeen
zogen in Schlachtordnung auf und stellten sich einander gegenüber. Jede hatte
eine Standarte, einen Schiffsmast auf Rädern, an dessen Spitze ein kleiner
Kasten die heilige Hostie enthielt, während von den Masten die Banner des
Drachen und der Distel wehten. Die Ritter von Mordreds Partei trugen schwarze Rüstungen, auch
ihre Federn waren schwarz, und an ihren Armen strahlte die purpurrote Peitsche
von Mordreds Wappen in der düsteren Farbe des Blutes. Vielleicht sahen sie
schrecklicher aus, als ihnen zumute war. Den wartenden Soldaten wurde erklärt,
daß keiner eine feindselige Haltung einnehmen dürfe, alle Schwerter sollten in
der Scheide bleiben. Doch da man vor Verrat nie ganz sicher war, wurde ihnen
gesagt, sie dürften rettend eingreifen, sobald bei der Verhandlung ein blankes
Schwert gesichtet wurde. Arthur schritt mit seinen Beratern in den freien Raum
zwischen den Truppen, und Mordred kam ihm mit seinem eigenen Gefolge in der
schwarzen Ausstaffierung entgegen. Sie standen einander gegenüber, und der alte
König sah wieder das Gesicht seines Sohnes. Es war hager und abgespannt. Auch
er, armer Mann, war vor Sorge und Einsamkeit weggelaufen ins Land von
Kennaquhair; aber er war ohne Führer gegangen und hatte sich verirrt. Sie
einigten sich zur Überraschung Aller müheloser über die Abmachung, als zu
hoffen gewesen war. Der König behielt sein halbes Reich. Einen Augenblick lang
waren Freude und Friede im Gleichgewicht. Doch auf diesem Messerrücken eines
Augenblicks bäumte sich der alte Adam in anderer Gestalt auf. Lehenskrieg,
Unterdrückung durch die Barone, individuelle Macht, selbst ideologische
Rebellion – alle hatte Arthur auf die eine oder andere Weise beigelegt, um
jetzt beim letzten Schritt geschlagen zu werden; und durch nichts als die
episodische Tatsache, daß der Mensch ein Mörder aus Instinkt ist.
    Eine Ringelnatter bewegte sich auf der
Wiese zu ihren Füßen, dicht bei einem Offizier aus Mordreds Gefolge. Der
Offizier trat instinktiv zurück und schwang seine Hand über den Körper, wobei
seine Armbinde mit der Peitsche blitzschnell sichtbar wurde. Das funkelnde
Schwert strahlte
auf, um die vermeintliche Viper zu töten. Die wartenden Truppen glaubten an
Verrat und brachen in einen Wutschrei aus. Auf beiden Seiten wurden die Lanzen
eingelegt. Und als König Arthur auf seine eigenen Reihen zulief, ein alter Mann
mit weißem Haar, der versuchte, sich gegen die endlosen Gezeiten zu stemmen,
die knöchernen Hände ausgestreckt, um sie zurückzuhalten, bis zuletzt im Kampf
gegen die Flut der Macht, die sein Leben lang, kaum hatte er sie eingedämmt, an
einer neuen Stelle ausgebrochen war – da schwoll das Getümmel, der Kriegsruf
erklang, und die aufeinanderprallenden Wogen schlugen über ihm zusammen.
    Lanzelot kam zu spät. Er war so schnell
wie möglich gereist, doch vergeblich. Er konnte nichts mehr tun als das Land zu
befrieden und die Toten zu begraben. Als dann eine Art Ordnung
wiederhergestellt war, eilte er zu Ginevra. Sie sollte immer noch im Tower von
London sein, denn Mordreds Belagerung war erfolglos gewesen. Doch Ginevra war
verschwunden. In jenen Tagen waren die Regeln der Klöster nicht so streng wie
heute. Häufig dienten sie den wohlgeborenen Gönnern eher als eine Art Herberge.
Ginevra hatte in Amesbury den Schleier genommen. Sie fand, daß sie genug
gelitten und anderen genug Leid verursacht habe. Sie weigerte sich, ihren alten
Liebhaber zu sehen oder mit ihm zu reden. Sie sagte, und das war offenkundig
unwahr, daß sie ihren Frieden mit Gott machen wolle. Ginevra hatte sich nie um
Gott gekümmert. Sie war eine gute Theologin, doch das war alles. In Wahrheit
war sie alt und weise: sie wußte, daß Lanzelot Gott leidenschaftlich liebte und
daß es für ihn wichtig war, diese Richtung einzuschlagen. Also schwor die große
Königin um seinetwillen, um es ihm leichter zu machen, allem ab, wofür sie ihr
Leben lang gekämpft hatte, gab ein Beispiel und blieb bei ihrer Wahl. Sie war
von der Bühne abgetreten.
    Lanzelot erriet davon nicht wenig, und als
sie sich weigerte, ihn zu empfangen, kletterte er mit alternder gallischer
Artigkeit über die Klostermauer. Er lauerte ihr auf, um ihr Vorhaltungen zu
machen, doch sie war unerbittlich und tapfer. Etwas an dem Zusammenstoß mit
Mordred scheint ihre Lebenslust zerstört zu haben. Sie trennten sich und sahen
sich auf Erden niemals wieder. Ginevra wurde eine

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