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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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und
strich es wieder glatt. Es war eine von Merlins Notizen für seine Kartei, die
der Dachs zwischen die Prophezeiungen geschoben hatte: ein Zitat eines
Historikers namens Bruder Clynn, der 1348 gestorben war. Dieser Bruder, der als
Chronist seiner Abtei die Annalen führen mußte, hatte gemerkt, wie der Schwarze
Tod kam, ihn zu holen – vielleicht die ganze Welt zu holen, denn ein Drittel
der Bevölkerung Europas hatte er schon umgebracht. Der Mönch hatte sorgsam ein
paar Seiten leeres Pergament in dem Buch gelassen, in das er nicht mehr
schreiben würde, und mit folgender Mitteilung geendet, die einst Merlins
seltsamen Respekt hervorgerufen hatte. »Angesichts dieser vielen Leiden«, hatte
er in Latein geschrieben, »und als wäre die ganze Welt dem Verderben
anheimgegeben, während ich zwischen den Toten auf den Tod warte, habe ich
aufgeschrieben, was ich wahrheitsgemäß gehört und nachgeprüft habe. Und damit
nicht die Schrift mit dem Schreiber untergehe oder die Arbeit mit dem Arbeiter
sterbe, lasse ich nun etwas Papier für die Fortsetzung zurück – für den Fall,
daß vielleicht ein Mensch die Zukunft noch
erlebt oder eine Person vom Stamme Adams dieser Pest entkommt und dieses Werk
fortführt, das ich einst begonnen habe.«
    Der König faltete das Blatt säuberlich und
legte es auf den Tisch. Sie schauten ihm zu und wußten, gleich würde er
aufstehen; sie waren bereit, seinem Beispiel zu folgen. »Sehr gut«, sagte er.
»Wir verstehen das Rätsel.« Er klopfte mit dem Papier auf den Tisch, dann erhob
er sich. »Wir müssen vor dem Morgengrauen zurück sein.« Auch die Tiere standen
auf. Sie geleiteten ihn zur Tür, drängten sich um ihn, um seine Hand zu küssen,
und sagten ihm lebwohl. Sein jetzt zurückgetretener Tutor, der ihn nach Hause
bringen mußte, hielt ihm die Tür auf. Ob er nun ein Traum war oder nicht –
jedenfalls fing er an zu verschwimmen wie sie alle. Sie sagten: »Viel Erfolg,
Eure Majestät, ein rasches und gutes Gelingen.« Er lächelte ernst und sagte:
»Wir hoffen, daß es rasch sein wird.« Doch er sprach von seinem Tod, und einer
von ihnen wußte es. »Es ist nur dieses Mal, Majestät«, sagte T. natrix. »Ihr
erinnert Euch an die Geschichte von St. Georg, und der Homo sapiens ist
immer noch so. Euer Versuch wird fehlschlagen, weil es in der Natur des
Menschen liegt zu töten, wenn nicht im Zorn, dann aus Unwissenheit. Doch aus
dem Fehler kommt der Erfolg, und die Natur verändert sich. Das Beispiel eines
guten Menschen lehrt immer die Unwissenden und verringert nach und nach im Lauf
der Zeit ihren Zorn, bis der Geist des Wassers zufrieden ist; also, Euer
Majestät: Seid guten Mutes und heiteren Herzens.«
    Er neigte seinen Kopf vor dem, der wußte,
und wandte sich zum Gehen. Im letzten Augenblick zupfte eine Hand an seinem
Ärmel und erinnerte ihn an den Freund, den er vergessen hatte. Er hob den Igel
mit beiden Händen unter seinen Achseln hoch und hielt ihn mit ausgestreckten
Armen in Augenhöhe.
    »Ach, Egel«, sagte er, »unsereiner hat dir
zu danken für ein Königtum. Mach’s gut, Egel, und ein glückliches Leben dir und
deinen schönen Liedern.« Doch der Igel strampelte mit den Füßen, als führe er
Rad, weil er abgesetzt werden wollte. Er zupfte wieder am Ärmel, als er sicher
auf dem Boden stand, und der alte Mann neigte sein Ohr, um das Flüstern zu
hören. »Ne, ne«, wisperte er heiser und packte fest seine Hand, wobei er ihm
ernst ins Gesicht schaute. »Sagt nicht lebwohl.«
    Er zupfte wieder und senkte seine Stimme,
daß sie fast unhörbar war. »Orriwoah«, flüsterte der Wicht. »Orriwoah«.
     
     
     
     
     
     
     
    KAPITEL 20
     
     
    Nun, wir sind endlich am Schluß unserer
verschlungenen Geschichte angekommen.
    Arthur von England kehrte in die Welt
zurück, um seine Pflicht zu tun, so gut er konnte. Er vereinbarte mit Mordred
eine Waffenruhe, nachdem er sich entschlossen hatte, um des Friedens willen
sein halbes Königreich anzubieten. Um die Wahrheit zu sagen, er war bereit, auf
alles zu verzichten, wenn es nötig sein sollte. Als Besitz hatte es längst
seinen Wert für ihn verloren, und er war zu der Überzeugung gelangt, daß
Frieden wichtiger ist als ein Königreich. Doch er empfand es als seine Pflicht,
wenn möglich die Hälfte zu bewahren, und zwar aus diesem Grund: Wenn er auch
nur eine halbe Welt hatte, in der er wirken konnte, wäre es vielleicht doch
möglich, in sie die Samen der Vernunft zu legen, die er von den Gänsen und den
Tieren

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