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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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weltliche Äbtissin. Sie
leitete ihr Kloster mühelos, königlich, mit einer gewissen großartigen
Geringschätzung. Die kleinen Mädchen in der Schule wurden in der großen
Tradition der Aristokratie erzogen. Sie sahen Ginevra im Park Spazierengehen, aufrecht,
gerade, blitzende harte Ringe an den Fingern, die Wäsche weiß und fein und,
entgegen den Klosterregeln, parfümiert. Die Novizinnen verehrten sie
ausnahmslos mit der Leidenschaft von Schulmädchen und flüsterten über ihre
Vergangenheit. Sie wurde eine Große Alte Dame. Als sie schließlich starb, holte
ihr Lanzelot mit seinem schneeweißen Haar und den runzeligen Wangen ihre Leiche
und brachte sie zum Grab ihres Ehemannes. Dort, in dem berühmten Grab, wurde
sie beerdigt: ein stilles und königliches Gesicht, das in die Erde versenkt und
begraben wurde. Was Lanzelot angeht, so wurde er wahrhaft ein Einsiedler. Mit
sieben seiner Ritter als Gefährten trat er in ein Kloster bei Glastonbury ein
und widmete sein Leben dem Gottesdienst. Arthur, Ginevra und Elaine waren
dahingegangen, doch seine geistige Liebe blieb. Er betete für sie alle mit
seiner ganzen nie besiegten Kraft zweimal täglich und lebte in froher Askese
fern von den Menschen. Er lernte sogar, die Vogelstimmen in den Wäldern zu
unterscheiden und Zeit für all die Dinge zu haben, die Onkel Dap ihm verwehrt
hatte. Er wurde ein vorzüglicher Gärtner und ein bekannter Heiliger.
    »Ipse«, sagt ein mittelalterliches Gedicht
über einen anderen alten Kreuzritter, einen großen Herrn wie Lanzelot zu seiner Zeit und einen, der
sich ebenfalls von der Welt zurückgezogen hatte:
     
     
    Ipse post militiae cursum temporalis,
    Illustratus gratia
doni spiritualis,
    Esse Christi cupiens miles
specialis,
    In hac domo monachus factus
est claustralis.
     
    Er wurde, nach dem Getümmel der Schlacht,
    Bedacht mit der Gnade
göttlicher Gaben,
    Um Christi getreulicher Kämpe
zu sein,
    In diesem Kloster zum Bruder
gemacht.
     
    Über die Maßen sanft, mild und gütig,
    Weiß wie ein Schwan vom Alter
gebleicht,
    War er freundlich und ohne
Mühe zu lieben
    Und trug in sich selbst den
Heiligen Geist.
     
    Denn oft zog es ihn in die heilige Kirche.
    Dort lauschte er froh den
Mysterien der Messe
    Und lobte und pries nach
seinem Vermögen
    Und sann und bedachte den
himmlischen Ruhm.
     
    Freundlich und fröhlich war stets sein
Gespräch,
    Höchlichst zu schätzen und
voll Religion,
    So daß es die ganze
Bruderschaft freute;
    Er lamentierte und nörgelte
nie.
     
    Spazierte er zwischen den Mauern des
Klosters,
    Neigte er das Haupt vor den
Mönchen,
    Und mit Kopfnicken grüßte er
jene,
    Die er von allen am meisten
geliebt.
     
    Hic, per claustrum quotiens
transiens meavit,
    Hinc et hinc ad
monachos caput inclinavit,
    Et sic nutu capitis
eos salutavit,
    Quos affectu intimo
plurimum amavit.
     
    Als seine eigene Todesstunde kam, wurde
sie von Visionen im Kloster begleitet. Der alte Abt träumte von herrlich
klingenden Glocken und von Engeln, die unter glücklichem Gelächter Lanzelot gen
Himmel trugen. Sie fanden ihn tot in seiner Zelle, wo er das dritte und letzte
seiner Wunder bewirkte. Denn er war im sogenannten Geruch der Heiligkeit
gestorben. Wenn Heilige sterben, ist der Raum von einem süßen Duft erfüllt –
vielleicht nach frischem Heu, oder nach Frühlingsblüten oder nach der sauberen
Meeresküste.
    Ector sprach seines Bruders Totenklage,
ein Stück Prosa, wie man es selten trefflicher findet. Er sagte: »Ah, Lanzelot,
Ihr wart der Beste aller christlichen Ritter. Und nun wage ich zu sagen, Ihr,
Sir Lanzelot, der Ihr hier liegt, fandet in keinem irdischen Ritter
Euresgleichen. Und Ihr wart der höflichste Ritter, der je ein Schild trug. Und
Ihr wart der beste Freund derer, die Euch liebten, der je auf einem Pferde
ritt. Und Ihr wart der treueste Liebhaber unter allen sündigen Männern, der je
eine Frau liebte. Und Ihr wart der gütigste Mensch, der je mit einem Sehweite
zuschlug. Und Ihr wart der rechtschaffenste Mann, der je im Gedränge der Ritter
stand. Und Ihr wart der Freundlichste und Sanfteste, der je im Saal mit den
Damen aß. Und Ihr wart der grimmigste Ritter für Euren Todfeind, der je einen
Speer hob.«
    Die Tafelrunde war bei Salisbury
zerbrochen, die Zahl ihrer wenigen Überlebenden wurde im Lauf der Jahre
geringer. Schließlich waren nur noch vier von ihnen übrig: Bors der
Weiberfeind, Ector, Bleoberis und Demaris. Diese alten Männer machten für den
Seelenfrieden aller ihrer Gefährten eine

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