Der König auf Camelot
von
Monmouth; 3) französische Romanzen und davon abgeleitete Texte; 4) örtliche
Assoziationen, Sagen und Märchen. Die bretonischen Gedichte, die in Barzac-Breiz
erschienen, und von La Villemarqué stammen, brauchen nicht berücksichtigt zu
werden, da es sich bei ihnen um Fälschungen handelt.
Standard Dictionary of Folklore
Mythology
and Legend, Funk & Wagnall
Ihr habt meinen Rat zu wörtlich genommen,
König. Nicht an die ursprüngliche Sünde zu glauben, bedeutet nicht, an die
ursprüngliche Tugend zu glauben. Es bedeutet nur, daß Ihr nicht glauben sollt,
die Menschen seien völlig schlecht. Schlecht mögen sie sein, und sogar sehr
schlecht, doch nicht völlig.
T. H. White, Das Buch Merlin
KAPITEL 1
Zuerst will ich mir vorstellen, wie Merlin
in die Welt kam. Blausilber, Baby, los, jetzt flipp! Ich springe in
einen Traum, FLIPP, baby, so flipp doch. Da war in Cornwall, in Wales
oder in Caledonien eine Königstochter, Herzogstochter, Grafentochter,
Extrawursttochter, die nicht gleich unter die Haube kam und nicht ins Bett
eines jener barbarischen Kleinkönige, sondern ins Kloster gesteckt wurde,
zwecks Konservierung ihrer Tugend und damit sie derweil etwas Rechtes lerne.
Mai war, so ein Mai, wie er richtig ist. Wie er auch heutzutage hier und da
immer wieder einmal vorkommt. Sie ging durch den Klostergarten. Der echte, der
starkduftende, der nachduftende Flieder blühte. Auch Ginster. Weiter ging sie,
über die Grenze des Gartenzauns ins Verbotene hinaus, ins offene Land. Dann,
sagen wir, über einen Friedhof, überwuchert von wilden Narzissen. Vielleicht
war es doch nicht Mai, sondern erst April. O now to be in England when April is
there! Des Wegs kam ein minstrel. Was sagen will: eben nicht einer von jenen Hofpoeten, deren Reime nur
Reklame waren für die Mächtigen. Vielmehr einer von denen, die wissen, daß im
Grund das einzige poetische Thema die Frage betrifft: Was überlebt von der Geliebten? Ein
herumstrolchender Sänger, dessen Lieder wieder und wieder um jene alte
Geschichte kreisen, die aus dreizehn Kapiteln und einem Epilog besteht: von der
Geburt, dem Leben und dem Tod und der Wiederauferstehung des Gottes und Königs
des vergehenden Jahres, und worin die entscheidende Episode eben jene ist, in
der berichtet wird, wie der König des Alten Jahres antritt zum Kampf mit dem
Gott des Kommenden Jahres, zum Kampf um die Liebe der kapriziösen und
allmächtigen dreifaltigen Göttin, die Mutter, Braut und Totengräberin in einer
Person ist.
In ihren Liedern pflegten sich jene Sänger
der Zunft außerhalb des Geländers mit dem König des Vergehenden Jahres zu
identifizieren, und ihre Muse war die dreifaltige Göttin, jene schöne, schlanke
Frau mit einer Hakennase, todbleichem Gesicht, Lippen mit dem Rot von den
Beeren der Eberesche, stechenden blauen Augen und langem blondem Haar.
Daher kam also dieser Kerl, pfeifend oder
singend. Und er sah das Mädchen und war davon überzeugt, es handele sich um
eine Erscheinungsform der Göttin, nach der er schon lange verrückt war, die
sich ihm im Traum hundertmal verweigert und statt ihrer selbst ihm immer nur
ihre Mägde geschickt hatte.
Jetzt aber stand sie vor ihm, im
brechenden Licht eines Tages, durch das soviel blühendes Weiß geweht war. Er
nahm sie, warf sie auf einen Grabhügel und beschlief sie. Vielleicht hörte sie
das verrückte Konzert einer Amsel von der Spitze eines blühenden Apfelbaums
her. Vielleicht sah sie über sich den ersten Stern in einem noch ziemlich
hellen Abendhimmel. Bis ihr Hören und Sehen vergingen. Sie schrie, aber nicht
um Hilfe, sondern vor Lust. Es roch nach den zerbrochenen Stengeln der
Narzissen, aber auch nach Toten, nach wieder zu Erde gewordenem Fleisch. Mäuse
raschelten im Buchenlaub vom vergangenen Jahr, und im Efeu, der am Kirchturm
rankte, schrie eine Eule.
So wurde Merlin gezeugt.
Sollte es damals schon Tarotkarten gegeben
haben, die sich das Mädchen legen konnte, noch schwach in den Knien und
liebeswarm in der Klosterzelle, so wird ganz oben rechts, am Ende der Zukunftsreihe
der Gehängte gelegen haben.
Freilich war das, was sich auf dem
Kirchhof zugetragen hatte, eine Geschichte, die man nur von Frau zu Frau
flüstern konnte. Sagen wir mal, die Äbtissin sei eine kluge Frau gewesen.
Träumen wir uns mal, den armen alten White im Sinn, in ihr Bewußtsein, dann
dürfte sie bei allem Verständnis für die Kleine wohl gesagt haben, sich
lächelnd dabei an eigene Erlebnisse ähnlicher
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