Der König auf Camelot
all dem, und teils, um
sich an dem Grafen zu rächen, teils weil er Verlangen hatte nach dessen Weib,
zog er ein großes Heer zusammen. Er überquerte den Severn und zog vor das
Schloß, auf dem der Graf saß, und versuchte, es einzunehmen.
Dies glückte ihm aber nicht sogleich, und
also belagerte er die Feste, und seine Männer stürmten sieben Tage an gegen
ihre starken Mauern, ohne daß es ihnen gelang, hineinzukommen.
Der Graf dachte nicht daran nachzugeben,
auch hoffte er auf Ersatz durch den König von Irland, mit dem er ein Bündnis
geschlossen hatte.
König Uther stand der Sinn nach anderem.
Er knirschte vor Wut mit den Zähnen. Er sehnte sich nach Igerne, und es zog ihn dorthin, wo
diese Frau saß, die schöner war als jedes andere Weib auf der Welt.
Schließlich rief er einen Baron seines
Hofstaates, der Ulfin hieß, zu sich und fragte ihn, was da zu tun sei. »Ulfin«,
sprach er, »du hast mich immer gut beraten. Ich setze meine Hoffnung auf dich.
Ich bin ganz krank vor Ungeduld. Ich kann nicht mehr aus dem Bett aufstehen,
noch finde ich Schlaf, wenn ich meinen Kopf auf die Kissen lege. Ich kann weder
essen noch trinken, kämpfen noch mich vergnügen, ohne an diese Frau denken zu
müssen. Wie ich sie meinen Wünschen gefügig machen kann, weiß ich nicht. Aber
ich bin sicher, erfüllt sich meine Liebe nicht, so wird mich das noch
umbringen.« »Aber mein König«, antwortete Ulfin, »ich wundere mich sehr über
das, was Ihr mir da erzählt. Ihr habt das Land des Grafen mit Krieg überzogen.
Meint Ihr vielleicht das Herz einer Frau zu gewinnen, indem Ihr ihren Ehemann
in einem Turm einschließt und Euch mit ihm herumstreitet? Nein, in diesem Fall
weiß ich keinen Rat. Merlin ist bei unserem Heer. Schickt nach ihm, denn er ist
ein gelehrter Schreiber und der beste Ratgeber für jeden Mann unter der Sonne.
Wenn Merlin Euch aber auch nicht raten kann, dann gibt es niemanden, der zu
sagen wüßte, wie Ihr ans Ziel Eurer Wünsche gelangt.«
Auf Ulfins Rat hin rief König Uther Merlin
zu sich. Der König erzählte auch ihm von seiner Pein und bat Merlin, er möge
ihm doch sagen, was da zu tun sei, denn gewiß werde er sterben, wenn Igerne ihm
nicht gehöre. Alles wolle er hingeben, wenn sie nur sein werde. »Sire«,
antwortete ihm Merlin, »Ihr werdet sie besitzen. Aber sagt nie mehr, daß Ihr um
der Liebe zu einer Frau willen sterben müßt. Rasch will ich es bewerkstelligen,
daß Euer Wunsch erfüllt wird. Igerne ist gut bewacht in Tintagel. Das Schloß
ist wohlbefestigt. Die Mauern sind stark und hoch. Mit Gewalt die Feste einzunehmen,
wird Euch nicht
gelingen. Auch haben sie dort Proviant genug, um eine Belagerung zu überstehen.
Das Kommando haben zwei dem Grafen treu ergebene Kastellane. Aber bei all ihrer
Wachsamkeit wird es mir doch gelingen hineinzukommen, und zwar mit Hilfe meiner
Zauberkünste. Durch sie vermag ich das Aussehen eines Menschen so zu verändern,
daß er plötzlich seinem Nachbarn gleicht. Ich kann Eure Gestalt, Euer Gesicht,
Euer Sprechen und Euer Auftreten dem des Grafen von Cornwall gleichmachen. Aber
warum Zeit verschwenden mit vielen Worten. Ihr, Sire, werdet aussehen wie der
Graf, und ich werde Euch bei diesem Abenteuer begleiten. Ich werde Berel
gleichen. Ulfin will ich das Aussehen eines gewissen Jordan verleihen. Die
beiden Männer sind des Grafen engste Freunde und stehen seinem Herzen nahe. Sie
wissen alles, was er denkt und fühlt.
Auf diese Weise werden wir in das Schloß
eindringen, und Ihr werdet Euren Willen bei der Frau haben. Man wird uns nicht
erkennen, denn niemand wird uns für jemand anderen halten als wir scheinen.«
Der König vertraute Merlins Worten und
hielt seinen Rat für gut. Er übergab den Oberbefehl einem seiner Ritter. Merlin
aber führte seinen Zauber aus und veränderte ihre Gesichter und ihr Aussehen in
Ebenbilder des Grafen und seines Gefolges.
In dieser Nacht trafen der König und seine
Männer in Tintagel ein. Der Diener und der Hofmeister hielten den Mann, der da
kam, für ihren Herrn. Als das Mahl verzehrt war, schlief der König mit des
Grafen Weib, und so empfing Igerne den guten, den tapferen, den
vertrauenswürdigen König, den Ihr unter dem Namen Artur kennt. Nun sprach es
sich aber beim Heer herum, daß sich Uther von seinen Leuten entfernt habe. Die
Unterführer, die die Belagerung aufrecht erhielten, verdroß das ganze; sie wollten
endlich heim. Also legten sie die Rüstungen an und griffen zu ihren Waffen. Sie ließen
die Kampf
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