Der König auf Camelot
machte, gab er ihm
europäischen Ruhm.
In diesem neuen Gewand besaß der alte Held
einen beträchtlichen tagespolitischen Wert. Henry II. der von 1154 bis 1189
regierte, und seinen Nachfolgern aus dem Haus Plantaganet kam solch eine
mythische Geschichtsschreibung sehr gelegen. Ihre Dynastie wurde damit aufgewertet
und die englischen Ansprüche auf Schottland und Wales historisch
gerechtfertigt. Aber in dieser Hinsicht hatte die Version des Geoffrey von
Monmouth auch ihre schwachen Stellen. Sie belebte die im keltischen Wales, in
Cornwall und bei den Bretonen in Frankreich bekannten mündlichen
Überlieferungen, denen zufolge Artur nicht gestorben war, sondern nur schläft
und eines Tages zurückkommen wird, um die Ordnung eines neuen Goldenen
Zeitalters aufzurichten. Sein Aufenthaltsort, so bestätigen diese Sagen, sei
Avalon, eine Feen-Insel, über die Arturs Halbschwester, die Zauberin Morgan le
Fay herrsche.
Solches Erzählgut und seine Verbreitung
war ganz und gar nicht im Sinn der Plantagenets.
Sie beharrten auf einer anderen Version,
der zu Folge Artur tot sei und in Glastonbury begraben liege. Avalon, so wurde
behauptet, sei der alte Ortname von Glastonbury.
Damit ließen sich Prophezeiungen über
Arturs Wiederkehr als Vorkämpfer für keltische Selbständigkeit entkräften, und
die Plantagenets konnten für ihr Haus geltend machen, Arturs rechtmäßige Erben
und Nachfolger zu sein. Bis zur Mitte des 12. Jahrhunderts, also etwa zwanzig
Jahre nach der Veröffentlichung von Geoffreys Text, hatte sich der
Artur-Merlin-Stoff, wohl nicht zuletzt ob seiner phantasievollen Zutaten aus
keltischen Quellen, auch auf dem Kontinent, vor allem in Frankreich,
ausgebreitet. Es war Wace, der Kanonikus von Bayeux, der bei seiner
erweiternden Nacherzählung das Motiv des runden Tisches einfügte, den Artur
angeblich entworfen haben soll, um zu verhindern, daß ein Ritter seines
Gefolges gegenüber einem anderen bevorzugt werde. Wenige Jahrzehnte darauf war
es Chretien de Troyes (1130 bis 1190), der den Stoff im Sinn des höfischen
Liebesideals neu gestaltete. Seine Rittergedichte und ihre späteren Prosaauflösungen
bezeichnet man am treffendsten mit dem in England gebräuchlichen Begriff
»romances« (Romanzen).
Ludwig VII. (1137 – 1180) hatte am zweiten
Kreuzzug teilgenommen. Dies könnte als Moment der Zeitstimmung einen wichtigen
Einfluß auf Chretien ausgeübt haben. Er ist vielleicht einer der Gründe, warum
sich nun Artussage und Gralslegende miteinander verbinden. Chretien und Robert
de Boron (Ende des 12. Jahrhunderts) haben neue Episoden erfunden und Gestalten
aus anderen Sagenkreisen mit in den Stoff verwoben: die Liebesgeschichte von
Lanzelot und Guinevere, Tristan und Iseult, Galahad und die Queste nach dem
Heiligen Gral, die Sage von Arturs berühmtem Hauptsitz, Camelot, der nach seinem Tod zerfiel,
die Legende von Joseph von Arimathea, der in einem Kelch, dem Gral eben, einige
Tropfen vom Blute Jesu nach Britannien gebracht haben soll.
Keltische Folklore und mystische
Phantasien des Christentums verbanden sich schließlich zu einem unentwirrbaren
Muster, und die Tendenz des »Großen Prosa-Lanzelot-Gral-Zyklus« (1215-1230) ist
die Verherrlichung ritterlicher Tugenden, die wiederum die Ideale der
Minnesänger beeinflußten.
Die faszinierendste Ausprägung erfährt
dann aber der Artur-Merlin-Stoff im »Morte d’Arthur« des Sir Thomas Malory,
1469, zwei Jahre vor seinem Tod, als Manuskript abgeschlossen, und 1485 von dem
ersten englischen Buchdrucker gedruckt und verlegt.
Malorys Leben fällt in die chaotische Zeit
der Auseinandersetzung zwischen den Anhängern der Roten und der Weißen Rose in
England, und er ist gewissermaßen mit Haut und Haar ein Kind dieser Zeit. Wir
wissen, daß er wiederholt des Raubes angeklagt war. Auch soll er bei einem
Mordanschlag gegen den Herzog von Buckingham beteiligt gewesen sein. Als
Parteigänger des »Königsmachers« Warwick ist er auch wahrscheinlich mit diesem
aus dem Lager des Hauses York (Weiße Rose) in das des Hauses Lancaster (Rote
Rose) übergewechselt. Gerade aber, weil der Autor dieser berühmten spätmittelalterlichen
Fassung des Artur-Merlin-Stoffes so tief in die blutigen Händel seiner Zeit
verstrickt gewesen ist, mag es ihn verlockt haben, mit dieser Geschichte das
Bild eines goldenen Zeitalters der Ritterschaft und der Ritterlichkeit und
eines starken und geeinten Königreichs, regiert von einer idealistisch
gesinnten Aristokratie, zu entwerfen –
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