Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
Vom Netzwerk:
Winterszeit
un’ Sommerszeit, un’ jagen wir drin, daß wir nich’ verhungern tun. Riech ma’,
wenn die jungen hellen Blätter kommen, genau nach’er Regel, oder wenn sie abfallen,
nach’er selben Regel rückwärts. Mußt drin stehn tun, daß ma’ dich nich’ sieht,
und drin gehn, daß ma’ dich nich’ hören tut, un’ wärmen kann’s du dich, wenn’s
schlafen wills. Ah – is’ schon der rechte Ort, der Wald, für’n freien Mann mit
Hand un’ Herz.«
    Kay sagte: »Aber ich hab’ gedacht, Robin Walds
Leute würden Hosen und Joppen in Lincoln-Grün tragen?«
    »Das mach’n wir in Winterszeit, wenn’s nötig is,
oder mit Leder-Gamaschen bei der Waldarbeit. Aber im Sommer is es viel bequemer
für die Feldwachen, wo nichts zu tun haben, bloß aufpassen.«
    »Dann seid Ihr also ein Posten?«
    »Na klar. Un’ wie auch der alte Much, wo Ihr beim
gefällten Baum zu gesprochen habt.«
    »Und ich glaube«, rief Kay triumphierend, »daß der
große Baum da, auf den wir zugehn, das Hauptquartier von Robin Waldwood ist!«
    Sie kamen zum Monarchen des Waldes.
    Es war eine Linde, annähernd so groß wie jene, die
im Moor-Park in Hertfordshire stand, nicht weniger als hundert Fuß hoch und siebzehn
Fuß im Umfang, einen Schritt über dem Boden gemessen. Ihr buchenähnlicher Stamm
war unten mit dichtem Gezweig gegürtet, und wo die Äste gesessen hatten, war
die Rinde aufgesplittert und von Regenwasser und Saft verfärbt. Bienen summten
im hellen und klebrigen Blattwerk, hoch und höher gen Himmel, und eine
Strickleiter verschwand oben im Laub. Niemand hätte ohne eine Leiter den Baum
besteigen können, nicht einmal mit Steigeisen.
    »Gut geglaubt, Herr Kay«, sagte Little John. »Un’
da is er denn, der Herr Robin, zwischen’n Wurzeln.«
    Die Jungen, die mehr an dem Ausguck interessiert gewesen
waren, der in einem Krähennest im Wipfel des wispernden und sich wiegenden
Prachtbaumes hockte, blickten sogleich zur Erde nieder und sahen nun den großen
Geächteten von Angesicht zu Angesicht.
    Er war keine romantische Erscheinung, wie sie
erwartet hatten – zumindest nicht auf den ersten Blick – , obwohl er fast die
Größe von Little John erreichte. Diese beiden waren natürlich die einzigen, die
mit dem englischen Langbogen jemals einen Pfeil eine Meile weit geschossen
hatten. Robin Wood war ein drahtiger Bursche, ohne jeden Ansatz von Fett. Er
war nicht halbnackt wie John, sondern diskret in ausgeblichenes Grün gekleidet;
an der Seite trug er ein silberglänzendes Waldhorn. Er war glattrasiert,
sonnverbrannt, nervig, knorrig wie eine Baumwurzel – doch knorrig und gereift
von Wetter und Poesie, nicht vom Alter, denn er zählte kaum dreißig Jahre. (Er
sollte siebenundachtzig werden, und sein langes Leben führte er selbst auf den
Balsam- und Terpentingeruch der Nadelbäume zurück.) Im Augenblick lag er auf
dem Rücken und blickte nach oben, aber nicht in den Himmel.
    Robin Wood hatte wohlgemut seinen Kopf in Marians
Schoß gelegt. Sie saß zwischen den Wurzeln der Linde und trug einen einteiligen
grünen Kittel, an dessen Gürtel ein Köcher voller Pfeile hing; ihre Füße und
Arme waren bloß. Ihr Haar flutete wie ein braun leuchtender Wasserfall lang
herab und umrahmte so Robins Gesicht. (Für gewöhnlich trug sie Zöpfe, was sich
auf der Jagd und beim Kochen als vorteilhafter erwies.) Sie sang mit ihm sanft
ein Duett und kitzelte seine Nasenspitze mit den welligen Haarsträhnen.
     
    »Wohl unter der
Linden«, sang Jungfer Marian,
    »Wirst du mich
finden,
    Die Blättlein fallen,
    Die Vöglein schallen.«
     
    »So komm doch, komm doch,
komm«, summte Robin,
     
    »Nichts Böses droht,
    Noch bittre Not,
    Bloß Wind und rauhes
Wetter.«
     
    Sie lachten fröhlich und
fingen wieder an, diesmal abwechselnd:
     
    »Man läßt die Arbeit
sein,
    Aalt sich im
Sonnenschein,
    Ißt, was vom Baume
fällt,
    Und freut sich an der
Welt.«
     
    Dann, beide zusammen:
     
    »So komm doch, komm
doch, komm,
    Nichts Böses droht,
    Noch bittre Not,
    Bloß Wind und rauhes
Wetter.«
     
    Das Lied endete in
Gelächter. Robin, der sich die seidenfeinen Haarsträhnen um den braunen Finger
gewickelt hatte, zupfte schelmisch an einer Locke und rappelte sich auf die
Beine.
    »Na, John«, sagte er und musterte die beiden
Abenteurer.
    »Na, Herr«, sagte Little John.
    »So, da hast du also die beiden jungen Knappen
hergebracht?«
    »Sie haben mich hergebracht.«
    »Willkommen – so oder so«, sagte Robin. »Von Sir
Ector habe ich nie

Weitere Kostenlose Bücher