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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Ende von Hobs Gerstenacker. Als sie dort angelangt
waren, bedurfte es keiner schwierigen Überlegungen. Wart sagte einfach:
    »Komm. Merlin hat mir gesagt, ich soll dir sagen,
daß sich hier irgend was tut – speziell für dich.«
    »Und was?« fragte Kay.
    »Ein Abenteuer.«
    »Und wie stellen wir das an?«
    »Wir sollen der Richtung dieses Feldes folgen, und
wie’s aussieht, kommen wir auf diese Weise in den Wald. Wir müssen die Sonne
genau zur Linken behalten und ihren Lauf einkalkulieren.«
    »Na gut«, sagte Kay. »Was soll’s denn für ein
Abenteuer sein?«
    »Weiß ich nicht.«
    Sie gingen längs des Feldes und folgten der
imaginären Linie durch den Park und durchs Revier und hielten angestrengt nach
irgendwelchen wunderbaren Begebenheiten Ausschau. Sie fragten sich, ob das
halbe Dutzend Jungfasanen, das sie aufschreckten, etwas mit ihrem Unternehmen
zu tun haben könnte. Kay meinte, er könne beschwören, einer sei weiß gewesen.
Wenn er weiß gewesen wäre, und wenn plötzlich ein schwarzer Adler vom Himmel
niedergestoßen wäre, dann hätten sie genau gewußt, worum es ging: sie hätten
nur dem Fasan zu folgen brauchen – oder dem Adler – und wären zu der Jungfrau
im verwunschenen Schloß gekommen. Der Fasan indessen war nicht weiß.
    Am Waldrand sagte Kay: »Meinst du, wir sollen hier
rein?«
    »Merlin hat gesagt, wir sollten in grader Linie
weitergehn.«
    »Na ja«, sagte Kay, »ich habe keine Angst. Wenn das
Abenteuer für mich sein soll, dann wird’s schon ein richtig gutes sein.«
    Sie drangen ins Gehölz ein und stellten überrascht
fest, daß da kein übles Gehen war. Der Wald stellte sich etwa so dar, wie
heutzutage ein großer Forst beschaffen ist, während eine gewöhnliche
Waldwildnis dazumal mehr einem Dschungel am Amazonas glich. Damals gab es keine
Waldbesitzer auf der Pirsch, die dafür sorgten, daß das Unterholz gelichtet
wurde, und nicht den tausendsten Teil der heutigen Holzkaufleute, die mit
Bedacht und Berechnung die letzten Wälder niederlegen. Der größte Teil des
Forest Sauvage war fast undurchdringlich, eine gewaltige Barriere ewiger Bäume;
die abgestorbenen hingen, mit Efeu festgebunden, an den lebenden, und die
lebenden wetteiferten miteinander im Kampf ums Sonnenlicht, das Leben
bedeutete; der Untergrund war morastig, da es an Drainage fehlte, oder war
wegen des Fallholzes unbegehbar, so daß man plötzlich durch einen vermoderten
Baumstumpf in einen Ameisenhaufen stolpern konnte, oder er war verfilzt mit
Dornen und Winden und Geißblatt und Brombeerranken und allerlei stachligem
Gestrüpp, so daß man keine drei Schritt weit gehen konnte, ohne heillos
zerkratzt und zerstochen zu werden.
    Diese Waldgegend aber war gut. Hobs Feldrain wies
in eine Richtung, die aus einer Folge von Waldblößen zu bestehen schien, aus
murmelnden und schattigen Stellen, wo der wilde Thymian nur so summte von
Bienen. Die Hauptsaison der Insekten war schon vorüber; jetzt war die Zeit der
Obst-Reife und der Wespen; doch gab es immer noch genug Perlmuttfalter, und auf
der blühenden Minze tummelten sich Distelfalter und rotgebänderte Admirale.
Wart zupfte ein Minzeblatt ab und mummelte im Weitergehen, als hätte er einen
Kaugummi im Mund.
    »Komisch«, sagte er, »aber hier sind Leute gewesen.
Sieh mal: da ist das Trittsiegel eines Pferdes – und es ist beschlagen.«
    »Ich seh’ noch mehr«, sagte Kay. »Da ist nämlich
ein Mann.«
    In der Tat: am Rand der nächsten Lichtung saß ein
Mann mit einer Axt neben einem Baum, den er gefällt hatte. Er sah sehr
sonderbar aus: gnomenhaft und bucklig und mahagoni-gesichtig, und bekleidet war
er mit zahllosen Lederstücken, die durch Stricke miteinander verbunden waren
und seine muskulösen Gliedmaßen bedeckten. Er vesperte Brot und Schafskäse,
wobei er ein Messer zu Hilfe nahm, das durch jahrelanges Schärfen zu einem bloßen
Strich abgewetzt war; mit dem Rücken lehnte er an einem der höchsten Bäume, die
sie je gesehen hatten. Die weißen Holzspäne lagen weithin verstreut, und der
Stumpf des gefällten Baumes wirkte völlig frisch. Die Augen des Mannes
funkelten wie die eines Fuchses.
    »Du, der ist das Abenteuer, nehm’ ich an«,
flüsterte Wart.
    »Pah«, sagte Kay. »Gewappnete und Reisige und Drachen
und so was, das ist ein Abenteuer, aber nicht so’n schmutziger alter
Holzfäller.«
    »Na ja, aber ich werd’ ihn trotzdem fragen, was
sich hier tut.«
    Sie näherten sich dem kleinen mampfenden Waldmenschen,
der sie nicht gesehen zu

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