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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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umgekehrt.
Speichenrädrige Karren kamen hochbeladen auf den Hof gerumpelt, getreu der
Devise:
     
    Fahrt heim eure
Wagen, eh der Sommer ist hin,
    Mit Roggen und Rüben
und Rindvieh darin.
     
    Und wieder andere
versorgten das Schloß mit Brennholz. Der Wald erklang von Äxten und Keilen.
    Jedermann war glücklich. Die Saxen waren Sklaven ihrer
normannischen Herren, wenn man es so betrachten will – wenn man es jedoch
anders ansieht, waren sie wie die Landarbeiter heute, die mit zu wenigen
Schillingen die Woche auskommen müssen. Freilich, den Hungertod starb keiner,
weder der Leibeigene noch der Landarbeiter, wenn der Herr ein Mann wie Sir
Ector war. Für einen Viehhalter ist’s nun einmal nicht ökonomisch, seine Kühe
verhungern zu lassen – weshalb also sollte ein Sklavenhalter die Menschen, die
ihm gehören, verhungern lassen? Tatsache ist, daß der Landarbeiter sich sogar
heute noch mit so wenig Geld zufriedengibt, weil er seine Seele nicht preiszugeben
braucht – wie er’s in der Stadt tun müßte –, und solche Freiheit des Geistes
hat sich auf dem Lande seit unvordenklichen Zeiten erhalten. Die Leibeigenen
waren Arbeiter. Sie hausten mitsamt ihrer Familie, ein paar Hühnern, einem Wurf
Schweine und möglicherweise einer Kuh namens Crumbocke in dem einzigen Raum
ihrer Hütte – höchst elend und unhygienisch. Aber ihnen gefiel’s. Sie waren
gesund, die Luft war frisch und rein, ohne Fabrikqualm; und was ihnen am
meisten bedeutete: sie waren mit dem Herzen bei der Sache. Sie wußten, daß Sir
Ector stolz auf sie war. Sie bedeuteten ihm sogar mehr als sein Vieh, und da
ihm sein Vieh wichtiger als alles andere, ausgenommen die Kinder, wollte das allerhand
besagen. Er wandelte und werkte inmitten seiner Dörfler, war auf ihr
Wohlergehen bedacht und wußte den guten Arbeiter vom schlechten zu
unterscheiden. Er war, insgesamt, der ewige Landwirt, gehörte zu denen, die dem
Anschein nach ihren Leuten so-und-so-viele Schillinge die Woche zahlen, in
Wirklichkeit jedoch für eine kostenlose Behausung sorgten und obendrein vielleicht
noch Milch und Eier schenkten und selbstgebrautes Bier.
    In anderen Gegenden von Gramarye gab es natürlich
wirklich böse und despotische Herren – Feudalgangster, die zu züchtigen König
Arthurs Aufgabe sein würde –, doch lag das Übel nicht im Feudalsystem, sondern
in den schlechten Menschen, die es mißbrauchten.
    Sir Ector schritt mit drohend zusammengezogenen
Brauen durch all dies Tun und Treiben. Als eine alte Frau, die in der Hecke am
Rand eines Weizenfeldes saß, um die Tauben und Krähen zu verscheuchen, sich
plötzlich neben ihm mit teuflischem Gekreische erhob, fuhr er zusammen und
machte einen Luftsprung von fast einem Fuß. Er war in reizbarer Stimmung.
    »Donner und Doria«, sagte Sir Ector. Alsdann
widmete er sich dem Problem aufmerksamer und fügte mit lauter und unwilliger
Stimme hinzu: »Herr der Herrlichkeit!« Er holte den Brief aus der Tasche und
las ihn noch einmal.
    Der Lehnsherr von Schloß Wildwald war mehr als nur
Landwirt. Er war überdies Militär, Hauptmann, allzeit bereit, die Verteidigung
seines Besitzes gegen die Gangster zu organisieren und zu leiten. Weiterhin
war er Sportsmann, der bisweilen einen Tag tjostierte, wenn sich die Zeit dafür
erübrigen ließ. Aber das war noch nicht alles. Sir Ector war auch ein M. F. H.
genauer gesagt: Master of stag and other hounds – also Besitzer einer
Hundemeute für die Rot- und Schwarzwildjagd. Clumsy, Trowneer, Phöbe, Colle,
Gerland, Talbot, Luath, Luffra, Apollon, Orthros, Bran, Gelert, Bounce, Boy,
Lion, Bungey, Toby, Diamond und Cavall waren keine Schoßhunde. Sie waren die
Wildwald-Hunde e.V. zwei Tage die Woche; Meuteführer war der Herr und Meister.
    Der Brief lautete, aus dem Lateinischen übersetzt:
     
    Der König
an Sir Ector usw. –
    Wir
senden Euch William Twyti, Unsern Rüdemann, und seine Burschen, um mit Unsern
Keilerhunden (canibus nostris porkentis) im Forest Sauvage auf zwei oder drei
Keiler zu jagen. Ihr habt dafür Sorge zu tragen, daß das Fleisch der erlegten
Tiere gesalzen sowie in guter Verfassung aufbewahrt werde, wohingegen Ihr die
Häute bleichen zu lassen habt, die sie Euch geben, wie besagter William Euch
erklären wird. Und Wir geben Order, daß Ihr Vorsorge für sie traget, solange
sie auf Unsre Order bei Euch sind. Und die Kosten usw. werden verrechnet usw. –
    Gegeben
im Tower zu London, 20. November, im zwölften Jahr Meiner

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