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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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Führerin weiter und dann zur ehrlosen, nichtswürdigen Barbarus B und
zur letzten Hinrichtung. Es war ein ewiger Kreislauf. Und alle Geliebten,
Herrlichen, Glücklichen und dergleichen waren »getan«, und die Scheußlichen
und Schrecklichen waren »nicht-getan«.
    Auf einmal befand sich der Junge in der Haupthalle
der Festung, wo Hunderte und Aberhunderte von Ameisen in den Kinderstuben
fütterten oder leckten, Larven in verschiedene Gänge trugen und die
Ventilationskanäle öffneten oder schlössen, um eine gleichmäßige Temperatur zu
gewährleisten. In der Mitte saß selbstzufrieden die Führerin, legte Eier,
widmete sich dem Funksprechverkehr, erließ Anordnungen oder verfügte
Hinrichtungen und war von einem Meer von Schmeichelei umgeben.
    (Später erfuhr er von Merlin, daß das Problem der
Thronfolge je nach Spezies verschieden gelöst wird. Bei den Bothriomyrmex ,
zum Beispiel, überfällt die ehrgeizige Gründerin eines Neuen Ordens ein Nest
der Tapinoma und springt der älteren Tyrannin auf den Rücken. Vom Geruch
der Unterlegenen verborgen und geschützt, sägt sie alsdann gemächlich deren
Kopf ab, bis sie das Recht auf die Führerschaft erlangt hat.)
    Indessen gab es keine Speisekammern, wie er
vermutet hatte, wo er seine Ladung Brei hätte unterbringen können. Wer immer
Hunger hatte, hielt ihn an, ließ ihn den Mund öffnen und langte zu. Man
behandelte ihn nicht als Person, wie auch alle anderen unpersönlich waren. Er
war eine Maschine, aus der Maschinen sich bedienten. Nicht einmal sein Magen
gehörte ihm.
    Aber wir brauchen uns in keine weiteren Ameisen-Einzelheiten
zu verlieren – es ist kein erfreuliches Thema. Es genügt, wenn wir berichten,
daß der Junge weiter unter ihnen lebte und sich ihren Bräuchen anpaßte, daß er
sie beobachtete, um soviel wie möglich verstehen zu lernen, ohne jedoch Fragen
stellen zu können. Nicht nur, daß ihre Sprache nicht über die Wörter und
Begriffe verfügte, die für Menschen von Interesse sind (so daß es von vornherein unmöglich war, sie zu fragen, ob sie ans Leben glaubten, an die
Freiheit, ans Glück), nein, es war auch gefährlich, überhaupt irgendwelche Fragen
zu stellen. Eine Frage war für sie das Zeichen von Wahnsinn. Ihr Leben war
nicht fraglich: es war diktiert. Er krabbelte vom Nest zu den Samen und wieder
zurück, er fand das Mammy-Lied würklich wunnerbar, er würgte das Gekaute aus
seinem Kropf und gab sich Mühe, so viel zu begreifen wie möglich.
     
    Nachmittags wanderte eine Späher-Ameise über die
Binsenbrücke, die er auf Merlins Geheiß gebaut hatte. Es war eine Ameise der
gleichen Spezies, doch kam sie von dem anderen Nest. Sie stieß auf eine der
Straßenreinigungs-Ameisen und wurde auf der Stelle ermordet.
    Die Rundfunksendungen änderten sich sogleich, als
diese Nachricht verlautbart worden war – will sagen: sie änderten sich, als
spionierende Späher entdeckt hatten, daß in dem anderen Nest umfangreiche
Samenvorräte lagerten.
    Statt »Mammy-Mammy-Mammy« ertönte »Ameisenland,
Ameisenland über alles«, und die Flut der Anordnungen wurde zugunsten von Vorträgen
über den Krieg, über Vaterland und Patriotismus beziehungsweise die wirtschaftliche
Lage unterbrochen. Die klangvolle Stimme sagte, ihre geliebte Heimat sei von
unameisigen Horden schrecklicher Andersnestler eingekreist – woraufhin der
Rundfunkchor sang:
     
    Wenn fremdes Blut vom
Messer spritzt,
    Dann ist die Sache
schon geritzt.
     
    Auch wurde erklärt, die
Ameisen-Mutter in ihrer unerschöpflichen Weisheit habe verfügt, daß die
Andersnestler von nun an Sklaven der Diesnestler seien. Ihr geliebtes Land habe
zur Zeit nur einen einzigen Futternapf – ein schimpflicher Zustand, dem
abgeholfen werden müsse, wenn die geliebte Rasse nicht untergehen wolle. Eine
dritte Verlautbarung besagte, das Nationaleigentum von Diesnest werde bedroht.
Die Grenzen seien in Gefahr, ihre Haustiere, die Käfer und Blattläuse, sollten
geraubt werden, und dem Kommunemagen drohe Hungersnot. Zweien dieser
Rundfunksendungen hörte Wart gut zu, um sie später wiedergeben zu können.
    In der ersten wurde folgendermaßen argumentiert:
    A.
Wir sind so zahlreich, daß wir Hunger leiden.
    B.
Daher müssen wir mehr Kinder gebären, damit wir noch zahlreicher und hungriger
werden.
    C.
Wenn wir so zahlreich und hungrig geworden sind, gebührt uns das Recht, die
Samenvorräte anderer Völker in Besitz zu nehmen. Außerdem haben wir dann ein
zahlreiches und hungriges Heer.
    Erst als

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