Der König auf Camelot
Söller, während ihm die
winterliche Sonne breite orangefarbene Streifen über den kahlen Schädel warf.
Er kratzte und krakelte und kaute, angestrengt nachdenkend, auf der Feder, und
um ihn her wurde es dunkel. Der Raum war ebenso groß wie die Haupthalle, über
der er sich befand, und da er hoch genug lag, verfügte er über breite
Südfenster. Die aschigen Holzscheite in den beiden Kaminen verfärbten sich von
Grau zu Rot, als die Sonne versank. Um die Feuerstellen herum lagen einige Lieblingshunde,
schnufften im Traum, kratzten sich nach Flöhen oder knabberten auf
Hammelknochen herum, die sie in der Küche stibitzt hatten. Der Wanderfalke
hockte unter seiner Haube auf einem Gerüst in der Ecke: ein regloses Idol, das
von fernen Himmeln träumte.
Wer sich jetzt den Söller des Schlosses Wildwald
ansehen wollte, würde ihn leer finden, ohne alle Möbel. Aber die Sonne strömt
noch durch die Fenster in den zwei Fuß dicken Mauern herein und bringt von den
Pfeilern Sandstein-Wärme mit – das bernsteinfarbene Licht des Alters. Im
nächstgelegenen Andenkenladen findet man vielleicht vorzügliche Nachbildungen
jener Möbelstücke, die sich dort oben befunden haben sollen. Eichene Truhen und
Kommoden mit gotischen Füllungen und seltsamen Gesichtern von Menschen oder
Engeln – oder Teufeln –, dunkles Schnitzwerk, schwarz, mit Bienenwachs behandelt,
vom Holzwurm durchlöchert, glatt und glänzend: düstere Zeugnisse des alten
Lebens in sarg-ähnlicher Gediegenheit und Festigkeit. Das Meublement im Söller
aber war ganz anders. Die Teufelsköpfe waren da und die gefältelten Füllungen,
doch das Holz war sechs oder sieben oder acht Jahrhunderte jünger. Und im
sanften Licht des Sonnenuntergangs warfen nicht nur die Fensterpfeiler einen
warmen Schimmer. Auch die wenigen stabilen Truhen im Raum (die durch
farbenfrohe Teppiche in Sitzgelegenheiten verwandelt worden waren) leuchteten
mit ihrem goldnen Eichenholz, jung und jugendfrisch, und die Wangen der Teufel
und Cherubim glänzten, als wären sie gerade gründlich gereinigt worden.
KAPITEL 15
Es war Weihnachtsabend, der
Vortrag des Boxing-Day-Treffens. Man muß sich vor Augen halten, daß dies im
alten Merry England von Gramarye war, als die rüstigen Barone noch mit den
Fingern aßen, und zwar Pfauen, deren Schwanzfedern funkelten, oder Keilerköpfe,
denen man die Hauer wieder eingesetzt hatte. Es gab keine Arbeitslosigkeit,
weil es an Menschen fehlte, die man hätte einstellen können. In den Wäldern
lärmte es von Rittern, die sich mit aller Macht gegenseitig auf die Helme schlugen;
und die Einhörner stampften im winterlichen Mondschein mit ihren Silberhufen
auf und schnaubten ihren adlig-blauen Atem in die Frostluft. Derlei Wunder
waren wahrhaft wohltuend. Doch gab es im Old England ein noch größeres Wunder.
Nämlich ein Wetter, wie es sein soll.
Im Frühling erschienen auf den Wiesen gehorsam die
kleinen Blümelein, und der Tau funkelte, und die Vögel sangen. Im Sommer war es
nicht weniger als vier Monate lang herrlich heiß, und wenn es regnete, dann
regnete es nur so viel, wie es landwirtschaftlich von Nutzen war, und zwar nur
dann, wenn man im Bette lag. Im Herbst flammten und raschelten die Blätter im
Westwind und verbrämten ihr trauriges Adieu mit Prunk und Pracht. Und im
Winter, der laut Statuten auf zwei Monate begrenzt war, lag der Schnee
gleichmäßig drei Fuß hoch, ohne je zu Matsch zu werden.
Es war Weihnachtsabend im Schloß am Wilden Wald,
und rings um das Schloß lag der Schnee, wie es sich gehörte. Er hing schwer
auf den Zinnen, wie eine dicke Glasur auf einem sehr guten Kuchen, und an
einigen dafür geeigneten Stellen verwandelte er sich sittsam in die klarsten
Eiszapfen von größtmöglicher Länge. Er hing an den Ästen und Zweigen der
Waldbäume in gerundeten Klümpchen, schöner noch als Apfelblüten, und rutschte
gelegentlich im Dorf von einem Hausdach, wenn er die Möglichkeit sah, auf eine
hierfür geeignete Persönlichkeit zu fallen und dadurch zur allgemeinen Erheiterung
beizutragen. Die Jungen machten Schneebälle daraus, taten jedoch niemals
Steine hinein, um sich gegenseitig weh zu tun; die Hunde bissen in ihn und
wälzten sich darin, sobald sie hinausgelassen wurden, und blickten verblüfft
und entzückt zugleich drein, wenn sie in größeren Schneewehen verschwanden. Auf
dem Burggraben wurde Schlittschuh gelaufen; das zugefrorene Gewässer röhrte
unter den
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