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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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dieser logische Gedankengang in die Tat
umgesetzt worden war und alle Kinderstuben die dreifache Menge Nachwuchs
produzierten (während beide Nester von Merlin reichlich mit Brei versorgt
wurden) – man muß ja zugeben, daß hungernde Nationen nie ganz so verhungert zu
sein scheinen, als daß sie sich nicht weitaus kostspieligere Rüstungen als alle
anderen leisten könnten – , da erst begann man mit der zweiten Art von
Vorträgen. Der zweite Typ lautete wie folgt:
    A.
Wir sind zahlreicher als sie, demzufolge haben wir ein Anrecht auf ihren Brei.
    B.
Sie sind zahlreicher als wir, daher versuchen sie niederträchtigerweise, uns
unsern Brei zu stehlen.
    C.
Wir sind eine mächtige Rasse und haben das natürliche Recht, ihre schwächliche
zu unterjochen.
    D.
Sie sind eine mächtige Rasse und wollen unsere harmlose unnatürlicherweise
unterjochen.
    E.
Wir müssen sie in Selbstverteidigung angreifen.
    F.
Sie greifen uns an, indem sie sich selbst verteidigen.
    G.
Wenn wir sie nicht heute angreifen, werden sie uns morgen angreifen.
    H.
Auf keinen Fall greifen wir sie an. Wir bieten ihnen unschätzbare Vorteile.
    Nach der zweiten Art von
Sendungen begannen die Gottesdienste. Diese stammten – wie Wart später
entdeckte – aus einer derart weit zurückliegenden phantastischen Vergangenheit,
daß man schwerlich dafür ein Datum nennen kann, aus einer Epoche, wo noch nicht
alle Ameisen sich zum Kommunismus bekannt hatten. Die Rituale entstammten
einer Zeit, als die Ameisen noch mehr wie Menschen waren, und einige dieser
Gottesdienste waren höchst eindrucksvoll.
    Ein Psalm, zum Beispiel, begann (wenn wir die Verschiedenartigkeit
der Sprache außer acht lassen) mit den bekannten Worten: »Die Erde ist dem
Schwerte untenan, und alles, was auf ihr ist, dem Kompaß der Bomber, auf daß
sie von nun an bombardieren…«, und endete mit dem erschröcklichen Schluß:
»Fliegt in die Luft, oh ihr Tore, lasset euch in die Lüfte sprengen, ihr
Ewigen, Teuren, auf daß Einlaß finde der Herr der Herrlichkeit. Wer ist der
Herr der Herrlichkeit? Der König der Geister, der ist der Herr der Herrlichkeit.«
     
    Merkwürdig war, daß die gewöhnlichen Ameisen von
den Liedern nicht erregt wurden, auch den Vorträgen
    kein Interesse schenkten. Sie akzeptierten sie als
etwas Gegebenes. Für sie waren das eher Rituale – wie die Mammy-Lieder oder die
Gespräche über ihre geliebte Führerin. Sie sahen derlei Dinge nicht als gut
oder schlecht, als aufregend, vernünftig oder entsetzlich. Sie sahen sie
überhaupt nicht – sie akzeptierten sie nur als »getan«.
     
    Der Krieg rückte näher. Die
Vorbereitungen liefen wie am Schnürchen, die Soldaten waren durchtrainiert bis
zum Letzten, die Mauern der Nest-Burg trugen patriotische Aufschriften wie bisse oder brei ?
und gelobt
sei mein geruch ! – und Wart ließ alle Hoffnung fahren. Die stets sich wiederholenden
Stimmen in seinem Kopf, die er nicht abschalten konnte; die mangelnde Privatsphäre,
die allgegenwärtige Öffentlichkeit, welche es anderen erlaubte, sich aus
seinem Magen zu bedienen, während wieder andere m seinem Hirnkasten sangen;
diese öde Leere, die das Gefühl ersetzte; die Abwesenheit jeglicher Wertung
außer den zwei stereotypen; die absolute Monotonie mehr noch als die Bosheit –
all dies hatte die Lebensfreude seiner Knabenjahre zum Absterben gebracht.
    Die grausamen Heere stellten sich auf zur Schlacht,
um über die imaginären Grenzen zwischen ihren Glasscheiben zu befinden – da
kam Merlin ihm zu Hilfe. Er zauberte den angeekelten Erforscher der Tierwelt
ins Bett zurück, und der war heilfroh, wieder in den Federn zu liegen.
     
     
     
     
     
     
     
     
    KAPITEL 14
     
     
    Im Herbst war jedermann mit
den Vorbereitungen für den Winter beschäftigt. Nachts hatten sie alle Hände
voll zu tun, um die langbeinigen Schnaken vor ihren Kerzen und Sturmlaternen zu
retten. Tagsüber wurden die Kühe auf die Stoppeln gelassen, die unter den
Sicheln stehengeblieben waren und nun von Unkraut überwuchert wurden. Die
Schweine wurden an den Waldrand getrieben, wo Buben an die Bäume schlugen, um
sie mit Eichelmast zu versorgen. Jeder hatte eine andere Aufgabe. Vom
Kornspeicher her erklang das stetige Schlagen der Dreschflegel; auf den Roggen-
und Weizenfeldern segelten die langsamen und gewaltigschweren hölzernen Pflüge
auf und nieder, während die Säer rhythmisch einherstapften, die Schale am
Schultergurt, und auf den linken Fuß nach rechts auswarfen und

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