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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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ein immenses Vergnügen. Mit dem
Ausbuddeln von Dachsen und dem Schießen von Enten und der Fuchsjagd, wie’s
heutzutage betrieben wird, war sie nicht zu vergleichen. Am ehesten noch mit
der Frettchenjagd auf Kaninchen – nur daß man Hunde anstelle des Frettchens
nahm, daß man’s nicht mit einem Kaninchen zu tun hatte, sondern mit einem ausgewachsenen
Keiler, der einen ohne weiteres umbringen konnte, und daß man keine Büchse
trug, sondern eine Saufeder: einen Speer, von dem das Leben des Jägers abhing.
Für gewöhnlich ging die Sauhatz nicht vom Pferde aus vor sich. Der Grund
hierfür war vielleicht der, daß die Jagd auf Schwarzkittel in den beiden
Monaten stattfand, da zu erwarten stand, daß der altenglische Schnee sich unter
den Hufen der Pferde verklumpen werde, was ein Galoppieren zu gefährlich
machte. Das Ergebnis war, daß man die Jagd zu Fuß bestritt, nur mit Stahl
armiert, wider einen Gegner, der beträchtlich mehr wog als der Jäger und diesen
vom Nabel bis zu den Kinnladen aufschlitzen und sein Haupt auf den Zinnen zur
Schau stellen konnte. Es gab nur eine Regel bei der Sauhatz. Sie lautete: dran
bleiben. Griff der Keiler an, mußte man mit einem Bein niederknien und den
Sauspeer in seine Richtung halten. Das dicke Ende stemmte man mit der rechten
Hand auf die Erde, um die Wucht des Anpralls abzufangen, während man den
linken Arm ausstreckte und die Speerspitze auf den attackierenden Keiler
gerichtet hielt. Der Speer war scharf wie ein Rasiermesser und hatte, etwa
achtzehn Zoll vor der Spitze, ein Kreuzstück. Dieses Kreuzstück, oder diese
Querklinge, sorgte dafür, daß der Speer nie tiefer als achtzehn Zoll in das
Wild eindrang. Ohne das Kreuzstück wäre ein angreifender Keiler in der Lage gewesen,
den ganzen Speer in sich aufzunehmen und doch noch an den Jäger heranzukommen.
Durch das Kreuzstück hingegen wurde er einem auf Speeres Länge vom Leibe
gehalten – während er achtzehn Zoll Stahl im eignen Leibe hatte. Dies war die
Situation, in der es hieß: dran bleiben.
    Er wog zwischen zehn und zwanzig score, und sein
einziger Lebenszweck war es nun, hin und her zu trampeln, bis es ihm gelang,
an seinen Gegner heranzukommen und ihn zu Mus zu zerstampfen – während sein
Gegner nichts anderes im Sinne hatte, als den Speer unter dem Arm festzuhalten,
bis jemand kam und das Tier abnickte. Konnte er sein Ende der Waffe
festhalten, während das andere im Keiler steckte, dann wußte er, daß zumindest
eine Speereslänge sie trennte, wie oft der Keiler auch um ihn herumtanzen
mochte. Dies mag vielleicht erklären, weshalb alle Schloßbewohner zum Boxing
Day Meet zeitig aufstanden und ihr Frühstück mit einiger Unruhe
verzehrten.
    »Sieh an«, sagte Sir Grummore, der an einem
Kotelett knabberte, »schon früh zugange, he?«
    »Ja, allerdings«, sagte Wart.
    »Schönes Jagdwetter«, sagte Sir Grummore. »Hast
dein’ Speer schön scharf, he?«
    »Doch, ja, danke«, sagte Wart. Er ging zum Büfett,
um sich ebenfalls ein Schweinernes zu genehmigen.
    »Nun kommt schon, Pellinore«, sagte Sir Ector.
»Macht Euch über die Hühnchen her. Ihr eßt heut’ früh ja gar nichts.«
    König Pellinore sagte: »Schönen Dank, aber mir ist
nicht danach. Ich fühl’ mich heute nicht ganz auf dem Damm, was?«
    Sir Grummore nahm seine Nase aus dem Kotelett und
fragte bissig: »Nerven?«
    »Aber nein!« sagte König Pellinore entrüstet.
»Nein, nein, wirklich nicht, was? Ich glaube, ich muß gestern abend etwas zu
mir genommen haben, das mir nicht bekommen ist.«
    »Unsinn, mein Lieber«, sagte Sir Ector. »Hier: ein
paar Hähnchen, und gleich seid Ihr wieder bei Kräften.«
    Er legte dem unglücklichen König zwei oder drei Kapaunen
vor, und der Monarch ließ sich elend am Ende des Tisches nieder und versuchte,
ein paar Bissen hinabzuwürgen.
    »Ihr werdet’s brauchen«, sagte Sir Grummore bedeutungsvoll,
»wenn der Tag sich neigt, möcht’ ich behaupten.«
    »Meint Ihr wirklich?«
    »Ich weiß es«, sagte Sir Grummore und blinzelte seinem
Gastgeber zu.
    Wart bemerkte, daß Sir Ector und Sir Grummore mit
leicht übertriebenem Appetit aßen. Er selber brachte nur ein Kotelett hinunter.
Und Kay – der war überhaupt nicht erschienen.
    Als das Frühstück beendet war und Master Twyti das
Zeichen gab, setzte sich die Boxing-Day-Kavalkade in Richtung Treffpunkt in
Bewegung. Einem heutigen Meuteführer wären die Hunde vielleicht ein wenig
merkwürdig vorgekommen. Es war ein halbes Dutzend schwarzweißer Alaunts,

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