Der König auf Camelot
Robin sich bückte und etwas aufhob, das er Master Twyti
überreichte. Dann hielt die ganze Kavalkade an. Die gefährliche Stelle war
erreicht.
Die Sauhatz war einer Bärenhatz, beispielshalber,
insoweit vergleichbar, als man versuchen mußte, den Keiler aufzunehmen. Es
ging darum, ihn so schnell wie möglich zur Strecke zu bringen. Wart nahm seine
Position im Ring um die Kuhle des Keilers ein, drückte ein Knie in den Schnee,
stieß das Ende seines Spießes in den Boden und war auf alles gefaßt. Er merkte,
wie still es wurde, und sah, wie Master Twyti dem Lymerer stumm bedeutete, die
Hunde abzukoppeln. Die beiden Schweißhunde stürzten sogleich in das Dickicht,
das die Jäger umzingelt hielten. Sie taten es lautlos.
Fünf lange Minuten verstrichen, in denen nichts geschah.
Die Herzen aller im Kreis klopften stürmisch, und an jedem Hals pulste eine
Vene im Gleichmaß mit dem Herzen. Die Gesichter wandten sich flink von einer
Seite zur anderen, da sich jedermann seines Nachbarn vergewisserte, und der
leichte Nordwind blies sanft den Lebensodem davon; jedem war die Schönheit des
Lebens bewußt, das ein stinkender Hauer von einer Sekunde zur ändern auslöschen
konnte, wenn irgend etwas schiefging.
Der Keiler drückte seine Wut nicht stimmlich aus.
Es gab keinen Aufruhr in der Dickung – die Schweißhunde schwiegen. Nur stand
plötzlich, etwa hundert Schritt von Wart entfernt, etwas Schwarzes am Waldsaum.
Es sah nicht nach einem Wildschwein aus – zumindest nicht in den ersten
Sekunden. Es war zu schnell gekommen, um überhaupt wie etwas Bestimmtes auszusehen.
Es stürmte auf Sir Grummore zu, ehe Wart gemerkt hatte, was es wirklich war.
Das schwarze Ding stob über den weißen Schnee, der
in fedrigen Fetzen aufwirbelte. Sir Grummore – gleichfalls schwarz vor der
Weiße – schlug in einer Schneewehe Kobolz. Eine Art von Grunzen kam mit dem
Nordwind herüber, doch kein Geräusch des Fallens; und dann war der Keiler verschwunden.
Als er verschwunden war -und erst dann – , wußte Wart gewisse Dinge, die er bei
dem geschwinden Auftreten des Keilers nicht so schnell hatte sortieren können.
Er erinnerte sich der gesträubten Stachelhaar-Mähne auf dem kantigen Rücken,
des Aufblitzens eines eklen Hauers, der starken Rippen, des niedrig gehaltenen
Kopfes und des roten Geleuchts aus einem Schweine-Auge.
Sir Grummore erhob sich, unverletzt, klopfte sich
den Schnee ab, verwünschte seinen Spieß. Ein paar Blutstropfen gefroren auf
dem weißen Boden. Master Twyti setzte sein Horn an die Lippen. Die Alaunts
wurden abgekoppelt, während die erregenden Signalrufe durch den Wald
schallten, und dann geriet alles in Bewegung. Die Schweißhunde, die den Keiler
aufgestöbert hatten, durften ihm nachsetzen, was sie in die rechte Stimmung
brachte. Die Bracken gaben melodisch Laut. Die Alaunts rasten bellend durch die
Schneewehen. Alle fingen an zu schreien und zu laufen.
» Avoy, avoy !« rief das Fußvolk. »Schahu!
Schahu! Avaunt , Sire, avaunt !«
»Swef, swef!« rief Master Twyti aufgebracht.
»Gentlemen, bitte: macht den Hunden Platz!«
»Hört, hört!« rief König Pellinore. »Hat jemand gesehn,
wo er hingewetzt ist? Ein aufregender Tag, muß ich schon sagen, was? Sa sa
cy avaunt, cy sa avaunt, sa cy avaunt !«
»Haltet ein, Pellinore!« rief Sir Ector. »Vorsicht,
Mann: die Hunde! Ihr könnt ihn doch nicht eigenhändig fangen. Il est hault.
Il est hault !«
» Til est ho «, kam als Echo vom Fußvolk. » Tilly-ho «,
sangen die Bäume. » Tally-ho «, murmelten fern die Schneedecken, wenn die
schweren Äste, in Schwingungen versetzt, kleine Klumpen glitzernden Pulvers
dumpf zu Boden fallen ließen.
Wart lief hinter Master Twyti her. In gewisser
Weise war’s wie eine Fuchsjagd, nur daß sie in einem Wald stattfand, in dem man
sich bisweilen kaum regen konnte. Alles hing vom Geläut der Hunde ab und von
den verschiedenen Tönen, die der Rüdemann blies, um kundzutun, wo er war und
was er tat. Ohne diese Hilfsmittel hätte sich das ganze Feld in zwei Minuten
verirrt. Und sogar mit ihnen war ungefähr das halbe in dreien verloren.
Wart heftete sich an Twyti wie eine Klette. Trotz
der lebenslangen Erfahrung des Hundeführers kam er ebensoschnell voran wie
dieser, da er seiner Kleinheit wegen Hindernisse leichter überwinden konnte und
außerdem bei Maid Marian in die Lehre gegangen war. Er stellte fest, daß auch
Robin mithielt. Das Keuchen Sir Ectors und das Blöken von König Pellinore
blieben jedoch bald
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