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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.H. White
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quirliger Greis, so, wie er sich im
letzten halben Jahrhundert bei ähnlichen Gelegenheiten erhoben hatte. Er war
seine fünfundachtzig Jahre alt, fast blind, fast taub, und dennoch fähig und
willens und glücklich, dasselbe alte Lied zu leiern, das er zum Vergnügen des
Wildwalds schon gesungen hatte, als Sir Ector noch rieht einmal in seiner Wiege
festgezurrt gewesen war. Am Hochtisch konnten sie ihn nicht hören – er war
allzu ferne in der Zeit, um bis dorthin zu dringen –, aber jedermann wußte, was
die brüchige Stimme krächzte, und allen gereichte es zur Freude. Was er sang,
war dies:
     
    Der alte König Cole
durch ’nen Hohlweg kam,
    Dort traf er eine
Dame in ’ner Pfütze an,
    Sie lüpfte ihren Rock
und tat ’nen Sprung,
    Der König, er war
alt, und sie war jung;
    Pfui, da sah er ihr
Bein,
    Das war blank und
fein,
    Hui, da sah er ihre
Waden…
    Ganz schuldbeladen
    Fühlt’ sich der König
Cole,
    Denn er wollte gar
nichts sehn,
    Doch er mußte es
wohl.
     
    An die zwanzig Strophen
hatte dieses Lied, in welchselbigem der olle King Cole mehr und mehr Dinge sah,
die er, genaugenommen, nicht hätte sehen dürfen, und jedermann jubelte am
Schluß jeder Strophe, bis der alte Ralph am Ende seiner Darbietung von
Akklamation überhäuft wurde und sich, müde lächelnd, ermattet vor seinem inzwischen
aufs neue gefüllten Met-Humpen niederließ.
    Nun war es an Sir Ector, die Feier zum Abschluß zu
bringen. Gewichtig stand er auf und hielt die folgende Ansprache:
    »Freunde, Sassen und Andere! Des öffentlichen
Redens ungewohnt, wie ich’s nun einmal bin…«
    Dies rief zaghaften Beifall hervor, denn jeder
kannte diese Ansprache, die Sir Ector seit nunmehr zwanzig Jahren hielt, und
alle begrüßten sie wie etwas Altvertrautes.
    »… des öffentlichen Redens ungewohnt, wie ich’s nun
einmal bin, ist es mir eine angenehme Pflicht – ich möchte sagen, eine sehr angenehme Pflicht – , alle und jeden zu diesem unserem schlichten Fest
willkommen zu heißen. Es ist – und hierin wird mir wohl niemand widersprechen –
ein gutes Jahr gewesen, was Vieh und Acker betrifft. Wir alle wissen, wie
Crumbocke vom Wildwald zum zweiten Mal den ersten Preis in der Cardoyle Cattle
Show gewonnen hat und den Cup ein weiteres Mal gewinnen wird. Mehr Macht dem
Forest Sauvage! Da wir heute abend beisammensitzen, stelle ich fest, daß einige
Gesichter aus unserm Familienkreise verschwunden sind, während einige neue
auftauchten. Solche Dinge liegen in der Hand einer allmächtigen Vorsehung, der
wir alle dankbar sind. Wir alle sind erst erschaffen und danach erhalten
worden, um die Freuden dieses Abends genießen zu können. Ich glaube, wir alle
sind dankbar für die Segnungen, die uns zuteil wurden. Heute begrüßen wir in
unserer Mitte den berühmten König Pellinore, dessen Bemühungen, unsern Forst
von dem furchtbaren Aventiuren-Tier zu befreien, allen bekannt sind. Gott segne
King Pellinore. (Hört, hört!) Auch Sir Grummore Grummursum, einen Sportsmann,
der – und das sage ich ganz offen – seinem Gaule treu bleibt, solange er die
Hohe Suche vor Augen hat. (Hurra!) Endlich – last but not least – ehrt
uns der Besuch von seiner Majestät berühmtestem Rüdemann, Master William
Twyti, der – des bin ich sicher – uns morgen eine Probe seiner Kunst zeigen
wird, daß wir uns die Augen reiben und wünschten, eine königliche Meute würde
immer in unserm Walde jagen, den wir so lieben. (Hatz! Pack! und ähnliche Zwischenrufe.)
Ich danke Euch, meine lieben Freunde, für Euren spontanen Willkomm dieser Gentlemen.
Ich weiß, daß sie es in genau dem echten und aufrichtigen Sinne aufnehmen
werden, in dem es dargeboten wurde. Und nun ist es an der Zeit, daß ich zum
Ende meiner kurzen Bemerkungen komme. Wieder ist ein Jahr vorübergeeilt, und
wir haben die Aufgabe, in die Zukunft zu blicken. Was wird im nächsteh Jahre mit
der Cattle Show? Freunde, ich kann Euch allen nur sehr fröhliche Weihnachten
wünschen, und sobald Vater Sidebottom das Gebet gesprochen hat, schließen wir
mit der Nationalhymne.«
    Der Beifall, der am Schluß von Sir Ectors Ansprache
aufbranden wollte, wurde durch eifriges »Schschsch« niedergehalten, doch war
nur der letzte Teil des Dankgebetes, das der Vikar auf Lateinisch sprach, zu
hören, und dann standen alle gemeinsam im Schein des Kaminfeuers auf und
sangen:
     
    Gott schütze
Pendragon,
    König auf Albion,
    Gott steh ihm bei.
    Schenk ihm manch
Abenteur,
    Blutig und voller
Feur,
    Grausig und

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