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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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saß und versuchte, die verstohlenen Blicke seiner Mitinsassen zu ignorieren, konnte er hören, wie sie sich seinen Namen zuraunten. Sie waren fasziniert von ihm, hielten aber gleichzeitig Abstand, als hätte er eine ansteckende Krankheit. David wusste auch warum: Er sollte wegen wiederholten Mordes vor Gericht gestellt werden, und sollte die Jury ihn schuldig sprechen, würde er hängen. Der Todesengel schwebte bereits vor seiner Zellentüre.
    Aus Verwaltungsgründen hatte die Gefängnisleitung David mit dem einzigen Mann zusammengelegt, der außer ihm eines Kapitalverbrechens angeklagt war. Er hieß Richard Toomes. Seine Verhandlung hatte bereits begonnen und schien kaum mehr als eine Formalität zu sein. Eines schönen Sonntagmorgens war Toomes zu dem Haus gegangen, in dem die Frau, mit der er 20 Jahre verheiratet war, mit ihrem neuen Freund wohnte. Mit zwei Schüssen aus seiner Schrotflinte hatte er die beiden ins Jenseits befördert. Dann war er um die Ecke zum nächsten Polizeirevier gegangen, hatte die Flinte auf den Tisch und ein Geständnis abgelegt.
    Er wirkte, als hätte er sich voll und ganz in sein Schicksal ergeben. Wenn er abends vom Gericht wiederkam, las er in seinem Buch aus der Gefängnisbibliothek und sagte dabei lautlos einWort nach dem anderen vor sich hin, bevor er auf der Pritsche über David leise vor sich hinschnarchte. Tombstone – Grabstein –, wie David ihn für sich nannte, machte überhaupt keinen Ärger, und David beneidete ihn um seine innere Ruhe, denn er selbst konnte gar nicht gut schlafen. Je näher seine Verhandlung rückte, desto länger lag er nachts wach. Und wenn er dann schlief, wälzte er sich von links nach rechts, eine leichte Beute für die Alpträume, die aus seinem Unterbewusstsein nach oben stiegen.
    Ein Traum kehrte immer wieder, meist in der Stunde, bevor es hell wurde. Es war Abend, nach Sonnenuntergang, und er ging im Zwielicht alleine den schmalen Waldweg entlang, der von der Straße zum Blackwater Lake führt. Es war windstill und ruhig, man hörte nichts als die Schritte auf dem Waldboden. Er sah die schlanken, silbergrauen Stämme der Kiefern aufstreben und über ihm in dichte Baumkronen übergehen. Doch was dahinter im Schatten der Bäume lag, konnte er einfach nicht erkennen.
    In der Richtung, in die er sich, ohne zu wissen warum, bewegte, sah man ein Licht. Er beschleunigte seine Schritte, denn die Stille machte ihm Angst. Zu seiner Linken tauchte der See auf und lag schwarz, breit und glatt unter dem dunklen Himmel. Er hörte, wie das Wasser sanft an das steinige Ufer schwappte, doch er blickte in die andere Richtung, hinüber zu Osmans Bootshaus, das auf Pfählen stand, ein Stück vom Weg entfernt, wie ein urzeitliches Wesen, das man im Unterholz ausgesetzt hatte. Von dort kam das Licht her: hell und weiß leuchtete es aus einem geschlossenen Fenster ohne Vorhänge. Er blieb stehen und konnte Geräusche hören – ein Stöhnen oder ein Klagen, das anstieg und wieder abschwoll und dann erneut wiederkehrte, und zwar deutlicher als zuvor. Es klang fast wie der Ruf eines Nachtvogels über dem See, doch er wusste, dass es etwas anderes war: Es kam aus dem Inneren des Bootshauses.
    Er wollte weglaufen, den Weg, den er gekommen war, zurückrennen, doch der Traum erlaubte ihm nicht, sich umzudrehen.Stattdessen wurde er nach vorne gedrängt wie eine Motte zur Flamme, bis er auf Zehenspitzen stand und durch ein verstaubtes Fenster ins Innere blickte und sah, was er tatsächlich schon gesehen hatte: Katya und Ethan in nackter Umarmung auf dem Boden, wie Tiere unter dem grellen Licht, sich aneinander reibend – ohne einen Gedanken an die Welt um sich herum zu verschwenden. Etwas war allerdings anders: Die beiden sahen verändert aus, und er begriff erst nach und nach, woran das lag. Ihre Gesichter und Körper waren bleich, die Haare hingen strähnig herunter, und sie bewegten sich wie Automaten. Und da war Blut, dickes, getrocknetes Blut: auf Katyas Stirn und über Ethans ganzem Rücken.
    David schrie auf, doch sein Schrei ließ ihn nicht aus dem Traum erwachen, sondern machte im Gegenteil die zwei Liebenden im Bootshaus auf ihn aufmerksam. Er drehte sich um und rannte los, doch bevor er den Weg erreichte, stolperte er über eine Unebenheit im Boden. Beim Aufstehen hörte er, wie sich hinter ihm die Tür des Bootshauses öffnete und sie die Treppe herunterkamen. Er wollte rennen, doch seine Beine verweigerten den Gehorsam. Sie waren hinter ihm, hielten ihn fest,

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