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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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sagte Trave süffisant. »Er ist ja Experte darin, sich als Wohltäter aufzuspielen.«
    »Ich wusste, dass du das nicht verstehst«, sagte Vanessa verärgert und setzte sich wieder hin. »Aus dem Grund habe ich dir auch nichts erzählt. Mir war klar, dass du das gegen Titus verwendet hättest, dabei hat er gar nichts Böses getan. Das weiß ich genau«, ergänzte sie mit Nachdruck.
    »Deine Meinung spielt keine Rolle. Du hättest es mir sagen müssen.«
    »Ich habe es dem Inspector gesagt, der den Fall übernommen hat.«
    »Macrae?«
    »Ja, dem.«
    »Wann?«
    »Vor ein paar Wochen.«
    »Und ich vermute, er hat dir aufgetragen, die Sache für dich zu behalten?«
    »Ja.« Vanessa klang jetzt weit weniger angriffslustig als noch kurz zuvor.
    »Und das war für dich so in Ordnung?«
    Vanessa rutschte ungemütlich auf ihrem Stuhl herum, ohne zu antworten. Dieses Kreuzverhör gefiel ihr überhaupt nicht. Gleichzeitig wusste sie aber, dass es durchaus berechtigt war.
    »Das solltest du dem Gericht in London mitteilen«, sagte Trave leise. Er sprach, als läge das, was er sagte, klar auf der Hand und sei mitnichten etwas, über das man streiten oder diskutieren konnte.
    »Das kann ich nicht. Das will ich nicht«, sagte Vanessa, die entschieden anderer Meinung war. Ihre Augen funkelten vor Zorn, aber Trave gab nicht nach.
    »Es ist deine Pflicht. Das weißt du ganz genau«, sagte er, »Ein Mann steht vor Gericht und sieht der Todesstrafe entgegen. Wenn Osman dich wirklich liebt, wird er Verständnis haben.«
    »Und du hoffst, dass er keines hat, oder etwa nicht?«
    »Ich hoffe, dass du machst, was du für richtig hältst. Mehr nicht.«
    Vanessa sah ihren Mann an, und plötzlich verlosch das ganzeFeuer, das sie in sich trug – von einem Moment zum nächsten war nichts mehr davon übrig. Ihre giftige Antwort erstarb auf ihren Lippen, und sie senkte den Kopf. Sie wusste, dass er recht hatte: Sie hatte keine andere Wahl. Von ganzem Herzen wünschte sie sich, dass Katya ihr an jenem Abend in Blackwater Hall nicht über den Weg gelaufen wäre, aber so war es nun mal gewesen. Das Mädchen hatte ihr eine Pflicht auferlegt, die sie einzig und allein erfüllen konnte, wenn sie verkündete, was Katya gesagt hatte. Erst wenn sie das getan hätte, würde sie Frieden finden. Bill hatte ihr nur das gesagt, was sie ohnehin längst wusste.
    Ihr war, als hätte sie gerade eine Last abgelegt, die sie über Monate niedergedrückt hatte, und als würde sie erst jetzt merken, wie schwer diese Last gewesen war. Sie stand auf, beugte sich über den Tisch und gab ihrem Mann einen Kuss auf die Wange.
    »Danke«, sagte sie. Und während sie davonging, kam es ihr vor, als wisse sie gar nicht, wer aus diesem Gespräch als Sieger hervorgegangen war – sie oder er.
     
    Dieser und der folgende Tag zogen an Vanessa vorüber wie eine Nebelwolke. Mechanisch erledigte sie ihre Arbeit, tippte Briefe und legte die Korrespondenz ab, während ihr Gehirn pausenlos ratterte und sie krampfhaft hin und her überlegte, was sie Titus sagen sollte. Ihr war klar, dass sie jetzt nichts aufschieben konnte. Der Swain-Prozess hatte bereits vorige Woche begonnen, und Swains Anwalt würde ja erst einmal anhören müssen, was sie zu sagen hatte, bevor sie vor Gericht aussagen konnte. Und mit dem Anwalt zu sprechen, ohne Titus etwas davon zu sagen, wäre nicht fair. Das war sie ihm schuldig. Mehrmals hatte sie schon zum Telefon gegriffen, um die Nummer von Blackwater Hall zu wählen, doch jedesmal hatte sie den Hörer wieder aufgelegt und sich für ihre Feigheit geschämt. Nicht dass sie Angst vor Titus hatte – sie hatte Angst davor, ihn zu verlieren. Sie wünschte, sie könnte ihrGewissen loswerden, aber ihr war natürlich klar, dass das nicht ging. Sie war nun mal die, die sie war – Titus würde Verständnis haben. Aber sie wusste, dass sie ihn vor sich haben musste, um ihm alles erklären zu können. Also stieg sie am Dienstag nach der Arbeit in ihr Auto und fuhr schweren Herzens hinaus nach Blackwater Hall.
    Jana öffnete die Türe. Wie immer war sie angezogen wie für ein Begräbnis, und der Blick, den sie der in der Kälte stehenden Vanessa zur Begrüßung zuwarf, war alles andere als herzlich. Ihr Gesicht wirkte irgendwie eingefroren, schoss es Vanessa durch den Kopf – als sei es eine Türe, hermetisch verriegelt vor der Außenwelt. Vanessa wurde nervös und hatte das Gefühl, sich erklären, ihre Anwesenheit begründen zu müssen.
    »Ich wollte Titus sprechen«,

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