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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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nicht gekommen, wenn ich gewusst hätte, dass es ein schlechter Zeitpunkt ist. Aber ich wollte mit dir sprechen, denn ich habe Bill getroffen, so wie es dein Wunsch war. Ich habe mich gestern Vormittag auf einen Kaffee mit ihm getroffen und …« Vanessa zögerte und suchte nach den richtigen Worten.
    »Hat er zugestimmt? Zur Scheidung, meine ich?«, fragte Osman schnell.
    »Ja.«
    »Hab ich’s dir nicht gesagt?«, freute sich Osman und schlug mit der flachen Hand auf die Seitenlehne des Sofas. »Er ist …«
    »Ein anständiger Mensch«, sagte Vanessa und erinnerte sich daran, wie sie diese Bezeichnung für ihren Mann auch an dem Tag benutzt hatte, als sie einwilligte, Titus zu heiraten. Jetzt schämte sie sich für die Unangemessenheit des Wortes – sie kam sich vor, als würde sie Bill betrügen. Ihr wurde klar, dass sie sich unwohl fühlte, weil Titus ein derartiges Triumphgebaren an den Tag legte. Sie fühlte sich billig, wie die Trophäe in einem Glücksspiel – als wäre Bills Einwilligung in die Scheidung ein Sieg, den Titus errungen hatte, und nicht sie.
    »Da ist noch etwas anderes«, sagte sie. »Ich habe zugestimmt, als Zeugin vor Gericht auszusagen.«
    »Auszusagen? Was auszusagen?«, fragte Osman, ohne zu verstehen, was sie damit sagen wollte.
    »Das, was Katya mir gesagt hat. Dass jemand sie umbringen will.«
    »Das ist unmöglich«, sagte Osman entsetzt. »Das kannst du mir nicht antun, Vanessa. Du hast es versprochen.«
    »Ich weiß, dass ich es versprochen habe, aber ich weiß auch, dass das ein Fehler war. Ich muss es tun, Titus«, sagte sie traurig. »Sonst kann ich nicht mehr mit dir zusammen sein.«
    Osman stand auf und ging zum Fenster hinüber. Mit dem Rücken zu ihr blieb er einen Moment stehen und schaute hinaus. Vanessa konnte spüren, wie er versuchte, seine Gefühle zu kontrollieren.
    »Das hat dir dein Gatte ins Ohr gesetzt, stimmt’s?«, fragte er schließlich, indem er sich umdrehte. Seine Stimme hatte jetzt einen kalten, schneidenden Klang, den Vanessa so noch nie wahrgenommen hatte. Sie begann sich zu fürchten, doch diese Furcht bestärkte sie in ihrer Überzeugung. Sonst würde sie ihre innere Ruhe niemals wiedererlangen.
    »Er hat mir etwas gezeigt, das ich von selbst hätte sehen müssen. Das war alles«, sagte sie.
    »Wie raffiniert«, sagte Osman. Wie schon zuvor hatte Vanessa für einen Moment den Eindruck, Titus würde ein Spiel spielen und auf einen überraschenden Zug seines Gegenspielers reagieren. »Macrae aufzusuchen hat wohl nicht gereicht?«, fragte er zornig.
    »Macrae! Woher weißt du das mit Macrae?«, fragte Vanessa. Jetzt war zur Abwechslung einmal sie verblüfft.
    »Weil er es mir gesagt hat. Macrae möchte das tun, was richtig ist. Ganz im Gegensatz zu deinem Mann, der vor nichts zurückschreckt, um mir zu schaden. Kannst du das nicht sehen?«
    Vanessa schüttelte den Kopf, erhob sich vom Sofa und ging zur Tür. Sie wollte, dass das hier aufhörte. Sie wollte alleine sein. Aber Titus versperrte ihr den Weg und ergriff ihren Arm.
    »Ich liebe dich«, sagte er voller Verzweiflung. »Bedeutet dir das denn gar nichts? Warum willst du jetzt alles kaputtmachen? Swain hat Katya umgebracht. Jeder weiß das.«
    Vanessa hörte in der Stimme ihres Geliebten all das, was sie von Anfang an zu ihm hingezogen hatte, und womöglich hätte sie klein beigegeben, wäre in diesem Moment nicht die Türe aufgegangen. Es war Claes. Zweifellos hatte er die lauten Stimmen gehört. Vanessa sah ihn an und musste sowohl an das denken, was sie erst vor ein paar Minuten in der Zeitung gelesen hatte, als auch an das, was er vorigen Monat beim Lunch über den Krieg von sich gegeben hatte. Er war ein Nazi. Dessen war sie sich sicher. Es spielte keine Rolle, was Titus sagte. Sie wollte von hier weg, weit weg von Claes, seinem Humpeln, seiner Narbe und seiner schmallippigen, schweigsamen Schwester. Sie löste sich aus Titus’ Griff, lief durch die Eingangshalle, eilte über die vorderen Stufen zu ihrem Wagen und fuhr davon, ohne einen einzigen Blick zurück zu werfen.

Kapitel Dreiundzwanzig
    Unmittelbar nach seinem Treffen mit Vanessa machte sich Trave am Montagmorgen auf den Weg ins Old Bailey, wo er den ganzen Nachmittag im Polizeizimmer herumsaß und darauf wartete, in den Zeugenstand gerufen zu werden. Aber niemand kam, um ihn zu holen, was bedeutete, dass er erst am nächsten Vormittag an der Reihe war.
    Was er zu sagen hatte, war weitgehend unkompliziert, nur mussten die Geschworenen

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