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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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sagte sie und stolperte fast über ihre Worte. »Es ist etwas passiert, und ich muss mit ihm darüber reden. Ist er da?«
    Jana öffnete wortlos die Türe und machte einen Schritt zur Seite, um Vanessa eintreten zu lassen. Im Haus war es angenehm warm. Als sie aufblickte, sah sie zu ihrer Überraschung einen uniformierten Polizisten durch die Tür am Ende der Eingangshalle kommen und auf die Treppe nach oben zugehen. Von irgendwoher waren Stimmen zu hören, doch Vanessa konnte nicht sagen, ob die von Titus dabei war.
    »Ist etwas passiert?«, fragte sie, indem sie sich zu Jana umdrehte. »Geht es Titus gut?«
    »Ein Mann ist gestern hier eingebrochen und hat versucht, Sachen zu entwenden. Aber die Polizei kam, und er rannte weg«, sagte Jana langsam mit ihrem stark akzentgefärbten Englisch.
    »Und wer war zu Hause?«, fragte Vanessa.
    »Ich. Bitte warten Sie hier«, sagte Jana und öffnete die Türe zum Salon. »Ich sage Titus, dass Sie da sind.«
    Janas Stimme ließ keinen Zweifel daran, dass das Gespräch beendet war. So tat Vanessa, wie ihr geheißen, und nahm auf demSofa Platz. Hier hatte fünf Monate zuvor die bewusstlose Katya gelegen, nachdem sie Vanessa eine Pflicht auferlegt hatte, welcher sie sich ganz offensichtlich nicht entziehen konnte – sosehr sie sich auch anstrengte.
    Draußen ging jetzt der graue, wolkenverhangene Nachmittag in eine frühe Abenddämmerung über, und der Salon wirkte trostlos und verlassen. Es brannte kein Feuer, und Vanessa hatte kein Licht angemacht. Sie fühlte sich wie im Wartezimmer einer Arztpraxis, und es war, als hätte der Doktor keine guten Nachrichten für sie, wenn sie endlich drankäme.
    Gedankenverloren griff sie nach der Zeitung auf dem Kaffeetischchen. Jemand hatte schon darin gelesen – die Seiten waren umgeschlagen und eine Seite aus dem Innenteil lag jetzt obenauf. Die Schlagzeile erklärte, warum gerade diese Seite die Aufmerksamkeit des vorigen Lesers erregt hatte:
Blackwater-Mord – Kronzeuge ein Ex-Nazi
. Vanessa hatte den Artikel etwa zur Hälfte gelesen, als Osman eintrat.
    »Stimmt das?«, fragte sie und drehte sich zur Seite, als er sich über das Sofa beugte und sie küssen wollte.
    Osman sah über ihre Schulter auf die Zeitung und knurrte verärgert. »Dass Franz ein Nazi war?«, fragte er, indem er sich wieder aufrichtete und zur Bar in der Ecke ging.
    »Ja. War er das wirklich?«
    »Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht. Er hat mit ihnen zusammengearbeitet, soviel ist sicher. Es blieb ihm nichts anderes übrig, wenn er seine Anstellung im Innenministerium behalten wollte. Aber ob er dazu der Partei beitreten musste, habe ich nie gefragt. Ich dachte, das ginge mich nichts an.«
    »Was? Dass er ein Nazi war oder ist?«, fragte Vanessa entsetzt. »Was könnte denn wichtiger sein?«
    »Natürlich nichts – wenn er wirklich einer war«, sagte Osman bedächtig. »In Wahrheit arbeitete er mit ihnen zusammen, um Gutes zu bewirken. Für Belgien und die Juden in Belgien. Jawohl,meine Liebe, so war das«, fuhr er fort, als er das ungläubige Staunen im Gesicht seiner Verlobten bemerkte. »Ohne Franz hätte ich all diesen Menschen nicht helfen können. Ich brauchte jemand im Inneren, jemanden mit Einfluss …«
    »Einen Nazi«, unterbrach Vanessa. »Du brauchtest einen Nazi.«
    Osman wandte sich ab, ohne zu antworten, und konzentrierte sich darauf, einen Drink zu mixen. Vanessa schüttelte den Kopf, als er ihr auch einen anbot. Die Uhr auf dem Kaminsims zeigte gerade einmal Viertel nach fünf.
    »Es tut mir leid, Liebes«, sagte er, als er sich schließlich zu ihr aufs Sofa setzte. »Ich bin momentan ein wenig durcheinander. Das sind schwierige Tage. Franz und ich mussten vor Gericht unsere Aussage machen. Das war anstrengend, insbesondere für Franz.« Osman deutete auf die Zeitung. »Beim Heimkommen mussten wir dann feststellen, dass hier eingebrochen wurde und ein Mann Jana mit einer Waffe bedroht hatte. Er hat eine Kugel auf meinen Schreibtisch abgefeuert, und oben im Schlafzimmer noch eine. Gott sei Dank kam die Polizei – wer weiß, was sonst passiert wäre.«
    »Und wer war es?«
    »Ethans Bruder Jacob. Er war nicht zum ersten Mal hier. Er gibt mir die Schuld an Ethans Tod. Warum, weiß ich nicht. Die Polizei muss ihn einfangen, sonst stellt er noch irgendwelchen Unsinn an.« Vanessa fiel auf, wie besorgt Titus klang. Das war seltsam, denn gewöhnlich strotzte er nur so vor Zuversicht und Selbstzufriedenheit.
    »Verzeih mir«, sagte sie. »Ich wäre

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