Der König der Diamanten
gezeichnet hatte. Es war ein Bild von uns beiden, wir in unserem eigenen Haus, ohne uns ständig verstecken zu müssen, so, als gäbe es für uns eine Zukunft …« David brach mitten im Satz ab und legte den Kopf in die Hände. Hinter ihm ging die Türe auf. Ein Wärter stand da, älter als der erste. »Die Zeit ist um«, sagte er in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. »Der Transporter ist da.«
»Was für ein Buch war es denn?«, fragte Trave, als David aufstand. »Was für ein dickes Buch?«
»Ich weiß nicht mehr. Es ist lange her. Mir ist, als sei das in einem anderen Leben passiert, oder jemand anderes hätte das alles erlebt«, sagte David betrübt, während er die Hände ausstreckte, damit der Wärter ihm Handschellen anlegen konnte.
Trave bemerkte, wie verzweifelt David wieder wurde, und wollte ihm gern etwas Aufmunterndes sagen, aber die Worte blieben ihm im Hals stecken. Und ihm wurde schwer ums Herz, als erDavid hinterhersah, der wie ein zerstörter Mann den Gang hinunterschlurfte.
Als Trave gerade das Ende der Treppe erreichte, die vom Untergeschoss nach oben führte, stand zu seiner Überraschung Macrae vor ihm.
»Was haben Sie denn da unten gemacht? Wollten Sie etwa wieder Unfug anstellen?«, fragte Macrae mit einem Grinsen.
Trave überlegte kurz, ob er seinem Gegner nicht einfach eine reinhauen sollte, aber er wusste, dass er Macrae damit nur einen Gefallen tun würde. Also begnügte er sich damit, ihn mit der Schulter anzurempeln und an ihm vorbei Richtung Ausgang zu gehen.
»Das mit Ihrem Job tut mir sehr leid«, rief Macrae ihm nach. Aber Trave tat, als hätte er nicht gehört, und ging zielstrebig durch die Tür hinaus in den dunklen, kalten Spätnachmittag.
Kapitel Vierundzwanzig
Macrae war als Erster da. Er hatte Wale im Wagen zurückgelassen und folgte dem Oberkellner an einen Tisch in der Ecke, der für zwei gedeckt war. Er mochte dieses Restaurant – die Reflexionen in den großen Spiegeln an den hohen, weißen Wänden, das Glänzen des Silbers, die Beflissenheit der Kellner im Frack. Hier fühlte er sich wichtig.
Wie üblich ging er systematisch vor und studierte die Speisekarte von vorne bis hinten. Dabei formte er mit den Lippen die fremdländischen Bezeichnungen, als würde ihm das dabei helfen, seine Wahl treffen zu können. Und so kam es, dass er seinen Gastgeber Osman erst bemerkte, als der sich ihm gegenüber an den Tisch setzte.
»Und? Was hat Arne gesagt?«, fragte Osman erwartungsvoll, sobald der Kellner ihnen beiden aus einer teuer wirkenden Weinflasche eingeschenkt hatte.
Macrae probierte den Wein interessiert, bevor er auf die Frage mit einer eigenen reagierte: »War es nicht möglich, sie doch noch umzustimmen?«
»Nein, das habe ich Ihnen doch schon gesagt«, erwiderte Osman ungeduldig. »Es ist sinnlos, das überhaupt zu versuchen. Das würde alles nur schlimmer machen. Dieser verfluchte Trave – er hat sie wirklich komplett durcheinandergebracht mit seinen Einflüsterungen.«
»Es wird keine Rolle spielen«, sagte Macrae und tupfte sich die Mundwinkel genüsslich mit seiner Serviette ab. »Sir Laurence ist der Meinung, dass Sie den hysterischen Anfall Ihrer Nichte extrem gut begründen können. In der Tat war sie ja wütend auf Sie, weil Sie sie davor schützten, wieder dieses selbstzerstörerische Leben aufzunehmen, aus dem Sie sie zuvor gerettet hatten. Das könnenSie ja aussagen, wenn Mrs. Trave gesungen hat. Und Sie wissen ja, dass es Dokumente gibt, die Miss Osmans Drogenmissbrauch und ihre Verbindungen zur Halbwelt belegen. Die zeigen wir den Geschworenen. Sir Laurence sagt, das ist nur ein Furz – mehr nicht.«
»Ein was?«
»Ich weiß. Ich hätte es auch anders ausgedrückt«, sagte Macrae und hob amüsiert die Augenbrauen. »Der Punkt ist: Sie können vollkommen unbesorgt sein. Swain wird baumeln, genau wie er es verdient, Sie kriegen die Frau, und Trave wird sich zu Tode saufen, weil er Tag und Nacht an nichts anderes denken kann.«
»Der Teil gefällt Ihnen am besten, stimmt’s?«, fragte Osman und sah Macrae abschätzig an.
»Ja. Ich schäme mich nicht, das zuzugeben«, sagte Macrae. »Wir wollen, dass die Gerechtigkeit siegt. Das ist der Unterschied zwischen uns und Trave. Er ist ein selbstgerechter Kerl, und was ihm blüht, hat er sich selbst zuzuschreiben.«
»Das liegt vermutlich daran, dass er Ihnen den Weg nach oben versperrt hat, richtig?«
»Mir hat er weniger versperrt als Ihnen«, sagte Macrae und lächelte
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