Der König der Diamanten
Hall. Vielleicht steht dort, was wirklich passiert ist«, stammelte er fast schon hilflos. Er traute sich nicht, Vanessa direkt zu bitten, hinauszufahren und nach dem Tagebuch zu suchen.
»Was wirklich passiert ist!?« Zornig wiederholte Vanessa die Worte ihres Mannes. »Was wirklich passiert ist, ist, dass David Swain seiner Ex-Freundin eine Kugel in den Kopf gejagt hat, weil sie ihn nicht mehr liebte, und jetzt hat er nicht den Mumm, dafür auch geradezustehen.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Trave leise.
»Nein, natürlich nicht. Du glaubst an irgendeine alberne Verschwörung, hinter der Titus steckt, weil du es nicht ertragen kannst, mich glücklich zu sehen. Aber ich habe ein Anrecht darauf, glücklich zu sein, selbst wenn du das nicht sein willst. Oder etwa nicht?« Vanessa stampfte mit dem Fuß auf.
»Doch, natürlich«, sagte Trave. Mit einem derartigen Wutausbruch hatte er nicht gerechnet. »Ich habe dir doch gesagt, dass ich dir Glück wünsche.«
»Du weißt genau, dass ich heute zwei Stunden lang vor diesem Gerichtssaal gewartet habe, bis Swain mit seiner Aussage fertig war, um dann für fünf Minuten selbst reinzugehen«, fuhr sie fort und ließ ihrem Ärger freien Lauf. »Mehr hat es nicht gebraucht. Fünf Minuten, um alles, was ich aufgebaut habe, zu zerstören und wieder dahin zurückzukehren, von wo aus ich gestartet bin. Titus wird mich auf keinen Fall heiraten«, rief sie laut, ohne ihren Schmerz zügeln zu können.
»Wenn das stimmt, ist er einfach nur dumm«, sagte Trave. »Aber wenn er dich liebt, wird er verstehen, dass du ausgesagt hast, weil du nicht anders konntest. Weil die Geschworenen alles hören müssen. Sonst kann es keine Gerechtigeit geben. Genau aus dem Grund will ich auch, dass sie Katyas Tagebuch zu Gesicht bekommen. Aber ich kann es nicht beschaffen. Nur du kannst das.«
»Kann ich nicht«, schnauzte sie. »Verstehst du nicht, Bill? Titus und ich sind zerstritten. Ich bin in Blackwater Hall nicht mehr willkommen. Selbst wenn ich wollte, könnte ich dort nicht herumschnüffeln. Aber ich will ja auch nicht.«
»Ihr werdet euch wieder versöhnen. Das weißt du genau«, sagte Trave stur. »Und ich bitte dich auch nicht, dort herumzuschnüffeln. Ich bitte dich nur darum, unter irgendeinem Vorwand für eine paar Minuten nach oben in Katyas Zimmer zu gehen. Es ist im oberen Stock in der Mitte des Gangs und geht nach vorne hinaus. Dort musst du nur im Regal nach einem dicken Buch suchen, das ausgehöhlt ist. Und wenn du nichts findest, lasse ich dich zukünftig in Ruhe. Das verspreche ich.«
»Warum? Warum sollte ich das tun?«
»Weil du dann glücklich sein kannst. Hör zu: Es kann sein, ich habe unrecht. Vielleicht ist Titus unschuldig. Vielleicht hat Swain tatsächlich Ethan und Katya ermordet. Oder vielleicht waren es Claes und seine Schwester. Solltest du das Tagebuch finden, wird sich das aufklären, so oder so. Hättest du keine Zweifel, wärst du heute ja auch nicht nach London gefahren.«
Vanessa starrte ihren Mann an und schüttelte dann den Kopf. »Nein, Bill«, sagte sie und erhob sich aus ihrem Sessel. »Ich habe genug getan. Wenn Titus mich noch will, heirate ich ihn, und weißt du auch warum? Weil ich kein Tagebuch brauche, um zu wissen, wer er ist. Er ist ein guter Mann, ein unschuldiger Mann, und wenn auch nur ein Funken Anstand in dir steckt, hörst du jetzt auf, ihm zuzusetzen, und lässt ihn endlich in Ruhe.«
Trave fühlte sich hundeelend. Wäre er doch nur nicht gekommen.Auf Vanessas neues Leben war er nicht vorbereitet gewesen, und er fand es fast schon unanständig, in welchem Ausmaß ihre gemeinsame Vergangenheit hier negiert wurde. Er hatte nichts verloren zwischen all diesen Bildern, die ihm vorwurfsvoll von allen Seiten entgegenstarrten. Ihm war klar, dass er nie wieder herkommen durfte, wenn er überleben wollte.
Aber an der Tür startete er noch einen letzten Versuch. »Ich bitte dich nicht meinetwegen«, sagte er. »Es ist für die Toten, die sich nicht mehr wehren können, für Ethan und Katya – und ja, auch für jemand, der bald tot sein wird: David Swain. An die solltest du denken, bevor du dich entscheidest.«
»Das habe ich«, sagte sie. »Und ich habe auch an die gedacht, die leben.«
Mehr gab es nicht zu sagen. Sie machte die Türe zu und schloss ihren Mann aus.
War Vanessa nach ihrem Besuch in London schon völlig erledigt gewesen, hatte ihr der Besuch ihres Mannes den Rest gegeben. Um ihn aus der Wohnung zu bekommen, hatte
Weitere Kostenlose Bücher