Der König der Diamanten
vorhatte? Was war der Grund für die verzweifelten Worte »Sie wollen mich umbringen«?
Vanessa war sich ziemlich sicher, dass Claes sehr wohl imstande gewesen wäre, Katya zu töten – mit oder ohne seine Schwester. Aber hatte er es wirklich getan? Vielleicht hatte Bill ja recht. Womöglich würde Katyas Tagebuch die ganze Wahrheit ans Licht bringen. Also wäre es wahrscheinlich das Beste, sie würde der Sache auf den Grund gehen – würde die Treppe hinaufsteigen und in Katyas ehemaligem Zimmer nach dem ausgehöhlten Buch suchen.Aber dazu musste sie sich erst mit Titus versöhnen. Ohne ihn konnte sie nicht nach Blackwater Hall zurück. Ohne ihn sah ihre Zukunft ohnehin alles andere als rosig aus. Vanessa hatte mit einem Mal furchtbare Sehnsucht nach ihrem Geliebten. Sie wollte seine Arme wieder um sich spüren, wollte seinen Ring wieder tragen. Und als würde ihr Gebet erhört, klingelte neben ihr das Telefon. Titus war dran und fragte, ob er vorbeikommen könne.
Er kam mit Blumen, Unmengen von Blumen, die sein Gesicht und seinen Oberkörper verbargen, bis sie sie ihm abnahm, um sämtliche Vasen, die sie besaß, mit lila, rosa, gelb und blau zu bestücken. Es war eine wilde Kombination von Farben, die aber hervorragend zu den Bildern an den Wänden passte, den Bildern, die noch vor wenigen Stunden selbst ihr Ehemann gelobt hatte.
»Es tut mir wirklich leid«, sagte Titus, während er in der Küchentüre stand und ihr dabei zusah, wie sie die Blumen arrangierte. »Ich war unhöflich zu dir, in meinem Haus, als du mein Gast warst. Dafür schäme ich mich. Kannst du mir verzeihen, Vanessa?«
Er stand aufrecht da und sprach sehr förmlich, als würde er ein öffentliches Bekenntnis ablegen. Und ganz offenbar war er unsicher, was sie wohl antworten würde. Es war rührend zu sehen, wie viel ihm an ihr lag.
»Ich habe dir schon verziehen. Etwa fünf Minuten, nachdem ich von deinem Haus weggefahren war«, sagte sie lächelnd und streichelte ihm kurz über die Wange, als sie mit einem Strauß Blumen an ihm vorbei durch die Tür ging.
»Ich war einfach überrascht«, sagte er und folgte ihr ins Wohnzimmer. »Das war der Grund. Mit ein bisschen Nachdenken konnte ich natürlich sehr wohl verstehen, dass das, was du getan hast, das Richtige war. Aber da warst du schon weg, und ich habe mich nicht getraut, dir nachzufahren.«
»Franz war schuld«, sagte sie. »Wäre er nicht hereingekommen,wäre ich nicht geflüchtet. Ich kann ihn einfach nicht ausstehen, Titus«, platzte es aus ihr heraus. »Ich kann nicht ausstehen, wie er mich ansieht, ich kann nicht ausstehen, welche Vergangenheit er hat. Du hattest mit ihm zu tun, weil du ja Menschen zur Flucht verhelfen wolltest. Ich kann deine Beweggründe durchaus verstehen. Aber ich bin zu derartigen Kompromissen nicht fähig. So bin ich einfach nicht.«
»Ich weiß: Das ist auch der Grund dafür, dass du vor Gericht aussagen wolltest«, sagte Osman zärtlich und nahm ihre Hände. »Du bist einfach durch und durch wahrhaftig und bleibst dir immer treu. Du bist wie ein lupenreiner Diamant. Deshalb liebe ich dich so. Und deshalb möchte ich auch, dass du meine Frau wirst.«
»Und das will ich ja auch«, sagte Vanessa. »Aber nicht, solange Franz da ist. Er kann nicht mit uns zusammenleben, Titus. Ich möchte weder ihn um mich haben noch seine Schwester.«
»Das musst du auch nicht. Das verspreche ich dir«, sagte Titus und presste die Hand auf seine Brust, als lege er einen Eid ab. »Fühlst du dich jetzt besser?«
»Ja, das tue ich. Wie neugeboren«, sagte sie und erwiderte seinen Kuss. Und das stimmt auch. Sie fühlte sich plötzlich richtig gut, als würde sich doch noch alles zum Guten wenden. Titus hatte ihr ohne zu zögern genau das gegeben, was sie wollte. Konnte es einen klareren Beweis dafür geben, dass er sie über alle Maßen liebte?
Aber das Hochgefühl hielt nicht lange an. Vielleicht lag es an Titus’ Nervosität beim Abendessen, dass ihre Unruhe wiederkehrte. Er wählte einen Tisch ganz hinten in dem abgelegenen Restaurant, für das er sich entschieden hatte, und sah jedesmal zur Tür, wenn Gäste hereinkamen.
»Es tut mir leid, Liebes. Dieser Mann, von dem ich dir erzählt habe, dieser Jacob Mendel – der beunruhigt mich einfach«, erklärte er. »Die Polizei weiß immer noch nicht, wo er steckt, aber das heißt ja noch lange nicht, dass er von seinem Plan ablässt. Wieich dir gesagt habe, hat er eine Waffe und keinerlei Skrupel, sie auch zu
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