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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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zu sein, der hinter allem steckte: Er hätte all die Situationen inszenieren können, die David in die fatale Lage gebracht hatten, in der er sich jetzt befand.
    David begriff jetzt, dass alle Ereignisse nach Ethans Tod – die Höhen und die Tiefen, sein Glück ebenso wie sein Pech – nichts als Zuckungen einer Marionette waren, während die Person, die sein Schicksal in der Hand hielt, nur darauf wartete, erneut an denFäden zu ziehen. Diese Hand war auch im Gefängnis von Oxford am Werk gewesen. Eddie Earle musste auch in die Verschwörung verwickelt gewesen sein. Über diesen John Bircher, der vom Parkhaus gesprungen war – oder geschubst wurde –, bestand ja eine Verbindung zwischen Eddie und Claes.
    David merkte, wie leicht er es Eddie gemacht hatte. Viel war nicht nötig gewesen, um seinen Ärger anzustacheln – nur ein paar wohlgesetzte provozierende Äußerungen bei ihren nächtlichen Gesprächen. So weit er zurückdenken konnte, war Wut die wichtigste Triebfeder seines Lebens gewesen. Wut auf seinen Vater, weil er gestorben war, auf seine Mutter, weil sie erneut heiratete, auf Katya, weil die ihn abwies, und auf Ethan, weil der sie ihr ausgespannt hatte.
    Es war die Wut, die David ins Verderben führte. Wut war sein Motiv gewesen und gleichzeitig der Grund dafür, dass er sich in der Rolle des Angeklagten wiederfand – nicht nur einmal, sondern zweimal. Er erinnerte sich an jedes einzelne Detail der Nacht, in der Katya ermordet wurde – wie an einen Film, den er tausendmal angesehen hatte und der ihm nicht mehr aus dem Kopf ging. Er wusste noch genau, wie eine Aufregung die nächste abgelöst hatte: Zuerst die panische Angst vor dem Erwischtwerden. Dann ein unglaubliches Gefühl des Triumphs, als schließlich die Außenmauer erklommen und überwunden war. Und dann das unvergessliche Gefühl der kalten Nachtluft auf dem Gesicht, während Eddie die Straße nach Blackwater entlangfuhr. Da hatte er sich so unglaublich lebendig gefühlt, denn er war frei – und das, nachdem er schon geglaubt hatte, mit der Freiheit wäre es für immer aus und vorbei.
    Wie dumm er nur gewesen war! Hatte Eddie die Waffe abgeschwatzt, dabei war sie völlig wertlos – mit Platzpatronen geladen. Claes hatte gewusst, dass er kommen würde. Bircher, der Mann mit dem Bart, musste von einer Telefonzelle aus in Blackwater Hall angerufen haben, nachdem sie vom Bahnhof weggefahrenwaren. Das Telefon, das zweimal nacheinander im Minutenabstand klingelte, ohne dass jemand abnahm, war wohl das verabredete Zeichen. David konnte sich genau vorstellen, wie Claes mit der Waffe in der Hand im Dunkeln auf seinem Bett saß und zufrieden nickte, als er unten im Arbeitszimmer das Klirren der Fensterscheibe hörte und nur darauf wartete, dass David an seiner Zimmertür vorbeischlich.
    Claes hatte ihn töten wollen, da war David sich vollkommen sicher. Dieser Dreckskerl rechnete damit, dass es als Notwehr durchgehen würde, wenn er einen bewaffneten Eindringling erschoss, der soeben die Nichte des Hausbesitzers ermordet hatte. Aber Claes musste auch wissen, dass es kein Beinbruch war, das Ziel verfehlt zu haben. Sollte der Staat das doch machen. Ob am Galgen baumelnd oder mit einer Kugel im Kopf – tot wäre David auf alle Fälle. Und damit wäre die Sache erledigt, ein für allemal: Ethan tot, Katya tot, und ebenso David Swain.
    David verstand sehr gut. Er wusste, dass man ihn benutzt, ihn nicht nur einmal, sondern gleich zweimal in die Falle gelockt hatte. Er wusste bloß noch immer nicht, warum. Ethan und Katya waren aus einem bestimmten Grund gestorben. Sie hatten wohl etwas entdeckt – höchstwahrscheinlich irgendein Geheimnis, oder gar Geheimnisse, über Claes und seine Nazi-Vergangenheit. Dieses Geheimnis war der Schlüssel zu seiner eigenen Rettung.
    Man hatte ihm ja durchaus helfen wollen. Inspector Trave etwa, der völlig aufgeregt nach Katyas Tagebuch gefragt hatte, als er vorige Woche zu ihm gekommen war, in den Zellen unterhalb des Gerichtssaals. Seither hatte David nichts von ihm gehört. Aber was sollte Trave denn auch machen? Er war nicht einmal mehr Polizist. Und seine Frau war mit Osman durchgebrannt. David war ihr dankbar. Es musste schwer für sie gewesen sein, vor Gericht auszusagen, was Katya ihr zugeflüstert hatte. »Sie wollen mich umbringen« – kraftvolle Worte, aber letzten Endes hatten sie nichts bewirkt. Osman ging nochmals in den Zeugenstand und entkräftetesie mit wenigen Sätzen. Er führte aus, in welchem

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