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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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spuckte ihn an, doch er zog nur ein seidenes Taschentuch hervor und wischte sich das Gesicht ab. Er hörte nicht auf zu lächeln und sagte mir, er bedaure sehr, dass es so weit kommen musste
zwischen uns. Und er schien sogar halbwegs Mitleid zu haben, als Franz
mich von hinten packte und die Treppe hinaufzerrte. Sogar jetzt, zwei
Stunden später, kann ich seine kalten Hände immer noch auf meinem Körper spüren: Das sind die Hände eines Mörders, ohne jedes Mitleid, ohne jede Gnade. Sie werden mich töten. Das weiß ich sicher. So wie sie
Ethan getötet haben. Warum tun sie es dann nicht endlich? Worauf
warten sie denn noch?
     
    »Sie haben darauf gewartet, dass David Swain aus dem Gefängnis ausbricht, auf das und nichts anderes«, sagte Trave, indem er aufblickte. »Nur so konnten sie ihm auch den zweiten Mord anhängen.«
    Vanessa hörte gar nicht zu. Ihr Gesicht war in sich zusammengefallen, und ihr Körper wurde von heftigen Krämpfen geschüttelt. Titus war ein Mörder, und sie war seine Komplizin. Das war die Wahrheit. Wäre sie mit dem, was Katya ihr anvertraut hatte, sofort zur Polizei gegangen, würde das Mädchen noch leben. Sie war Katyas letzte Rettung gewesen, doch sie hatte nichts unternommen und das arme Ding seinem Schicksal überlassen.
    Titus hatte sie von vorne bis hinten angelogen – vielleicht stimmte nicht einmal das mit seiner toten Frau und dem toten Kind. Vanessa hatte ihm geglaubt, weil sie das unbedingt wollte – weil die Aufmerksamkeit, die er ihr widmete, ihr guttat und weil sie die neue Mrs. Osman werden und mit ihm in Blackwater Hall leben wollte. Vanessa schaute auf ihre Hand hinunter, zog Osmans wunderschönen Diamantring vom Finger und warf ihn in die hinterste Ecke des Zimmers. Doch das änderte nichts. Der Ring lag funkelnd neben der Sockelleiste – ein unzerstörbares Symbol ihrer Mittäterschaft. Sie wusste, dass sie sich fortan schuldig fühlen würde, bis sie eines Tages tot und begraben war und nichts mehr fühlen konnte.
     
    »Willst du wissen, warum ich deine Eltern ausgeliefert habe?«, fragte Osman und sah Jacob direkt in die Augen.
    »Weil sie Juden waren?«
    »Aber nein. Von mir aus hätten sie Hindus sein können. Rate noch mal.«
    »Wegen der Diamanten?«
    »Ja, natürlich«, sagte Osman. »Du kennst die Antwort. Natürlich kennst du sie, aber du verstehst sie nicht. Schau dorthin, dort liegen sie am Boden.« Osman zeigte mit der Waffe auf die Edelsteine, die wie funkelnde Sterne vor ihnen über den blauen Teppich verstreut lagen.
    »Das sind Steinsplitter. Nichts weiter. Sie sind nicht lebendig«, sagte Jacob. »Im Gegensatz zu deinen Opfern.«
    »Ja«, sagte Osman. »Du hast recht. Sie sind nicht aus Fleisch und Blut. Sie verderben nicht, sie verwesen nicht. Diamanten sind für die Ewigkeit.«
    Osman lächelte, und Jacob wusste, was als Nächstes passieren würde. Er wollte schreien, wusste aber instinktiv, dass die Kugel noch vor dem ersten Laut seinen Kopf durchdringen würde. Osman würde sagen können, er habe in Notwehr gehandelt – jeder unten im Hof hatte sehen können, wie Jacob den Hausherrn mit der Waffe bedrohte.
    »Bedeuten dir Menschen denn gar nichts?«, fragte Jacob, um Zeit zu gewinnen. »Katya war
dein
Fleisch und Blut. Sie war dir fast eine Tochter …«
    »Sie war einfach dumm, nichts weiter. Genau wie du. Sie konnte nicht anders: Sie musste dort herumschnüffeln, wo sie nichts verloren hatte. Aber das hat seinen Preis – alles hat seinen Preis. Und du kennst diesen Preis, stimmt’s, Jacob?«, fragte Osman. Seine Stimme klang sanft, beinahe traurig, wenngleich er die Waffe nach wie vor fest in der Hand hielt.
    Jacob wusste, was jetzt kam. Er schloss die Augen, um Osmans hasserfülltes Gesicht nicht mehr sehen zu müssen, und wartete darauf, den Schuss aus der Pistole zu hören – das letzte Geräusch, das er in seinem Leben vernehmen sollte. Doch stattdessen hörte er zu seiner Linken eine vertraute Stimme »Halt!« rufen. Er machte die Augen auf und sah Adam Clayton im Türrahmen stehen und mit zittrigen Händen Claes’ Waffe auf Osman richten.
    Und dann passierte alles derart schnell, dass weder Clayton noch Jacob im Nachhinein sagen konnten, wie alles vor sich gegangen war. Jacob stürzte sich auf Osman, während der auf Clayton schoss und den Polizeibeamten nur um Haaresbreite verfehlte. Und Clayton drückte ebenfalls ab und schoss Titus Osman mitten ins Herz, sodass die Kugel den Körper durchdrang, durch das ohnehin schon kaputte

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