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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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Fenster hinausflog und in einem Ast einer Kiefer in der Einfahrt stecken blieb. Es war das erste Mal, dass Clayton eine Waffe auf einen Menschen richtete, und danach hoffte er, dass es auch das letzte Mal war.
     
    »Gib mir das Tagebuch, Bill«, sagte Vanessa und streckte die Hand aus. »Ich muss jetzt wissen, wie das ausging.«
    Einen Moment lang zögerte Trave. Er machte sich Sorgen um Vanessa, denn er wusste nicht, wie sie die letzten Tagebucheinträge aufnehmen würde, jetzt, da sie wusste, wer Osman wirklich war und was er getan hatte. Dass jetzt die Wahrheit endlich ans Licht gekommen war, verschaffte Trave kein Triumphgefühl. Er wünschte sich vielmehr, dass das alles nie passiert wäre. Aber wie er schon viel früher festgestellt hatte, war nun mal genau das sein Schicksal. Wie jeder Polizist einer Mordkommission kam er immer zu spät am Tatort an.
    Widerstrebend reichte er Vanessa das Tagebuch. Schließlich hatte sie ein Anrecht darauf, nach allem, was sie durchgemacht hatte, um es in ihren Besitz zu bringen. Er hatte den Eindruck, dass sie allein sein wollte, deshalb erhob er sich, um nach oben zu gehen und Creswell anzurufen. Osman, Claes und diese Schwester mussten verhaftet werden, bevor noch jemand zu Schaden kam.
    Im Vorübergehen legte er kurz die Hand auf die Schulter seiner Frau. Ihm war, als hätte er sie noch nie so sehr geliebt wie in diesem Moment, als sei es ihm aber gleichzeitig auch noch nie unmöglicher gewesen, sie glücklich zu machen.
    Sobald die Türe zu war, blätterte sie rasch weiter und suchte nach dem Eintrag vom 15. September, dem Tag, an dem sie Katya im Salon begegnet war.
     
    15. September
    Ich halte diesen Schmerz nicht länger aus. Ich habe das Gefühl, ich werde
verrückt. Es wäre wahrscheinlich besser zu sterben als so weiterzumachen. Nur wie? Das ist die Frage. Vielleicht kann ich Jana die Streichhölzer
abnehmen, wenn sie hereinkommt, um mich zu füttern, und dann sterben wir gemeinsam, sie und ich. Brennen, bis nichts mehr übrig ist von uns.
Das wäre nur gerecht. Aber ich weiß, dass ich im letzten Moment nicht fähig sein werde, es wirklich zu tun. Ich werde kneifen – ich weiß es genau. Warum? Warum in aller Welt, warum? Es ist nicht die Angst vor dem
Sterben, die mich hält. Das weiß ich. Es ist die Hoffnung – die Hoffnung auf ein Leben. Meine Hoffnung ist mein Verderben. Ist es immer
gewesen. Das erkenne ich jetzt. Um wie viel besser ginge es mir ohne sie.
Um wie viel …
     
    Das musste Katya geschrieben haben, bevor sie mit Jana gekämpft hatte und nach unten entkommen war, doch davon stand nichts mehr im Tagebuch. Es schien, als sei dieser Abend eine Art Wasserscheide gewesen. Auf den folgenden Seiten wurden die Einträge kürzer – es handelte sich nicht mehr um ausführliche Berichte, sondern um sporadische Gedanken und Eindrücke, aus denen reine Verzweiflung sprach. Vanessa fragte sich, ob Katya vielleicht Angst gehabt hatte, das Tagebuch allzu lange offen liegen zu lassen, wahrscheinlicher war allerdings, dass sie einfach keine Energie mehr hatte – und irgendwann auch keine Hoffnung mehr. Vanessa wurde namentlich nur ein einziges Mal erwähnt, zwei Tage später. Der Eintrag betand nur aus wenigen Worten, doch die versetzten Vanessa einen solchen Stich, dass sie wusste, sie würde ihn bis an ihr Lebensende spüren.
     
    Wird Vanessa mir helfen? Hat sie mir zugehört? Oder war alles vergebens?
     
    Der allerletzte Eintrag war undatiert und bestand nur aus einer schnell hingeschmierten Frage:
     
    Und wozu eigentlich das Ganze?
     
    Vanessa klappte das Buch zu und drehte sich zu ihrem Mann um, der mit großen Augen in der Tür stand.
    »Was ist?«, fragte sie und erhob sich. »Ist etwas passiert?«
    »Claes ist tot«, sagte er. »Er ist in Blackwater mit einem Lastwagen zusammengestoßen. Das muss gewesen sein, als er dich verfolgt hat. Er war offenbar sofort tot. Ist bei dir alles in Ordnung, Vanessa?«, fragte er, als er merkte, dass der Schock Vanessas Gesicht weiß werden ließ. Sie schüttelte sich und atmete tief durch.
    »Ja«, sagte sie und schluckte. »Ich bin überrascht. Mehr nicht. Er hätte mich umgebracht, wenn er mich erwischt hätte. Da bin ich mir sicher. Und ich habe nicht gedacht, dass ich so etwas jemals über einen Menschen sagen könnte, aber ich bin froh, dass er tot ist. Er war böse, Bill, von Grund auf böse. Er hat nicht nur Katya und Ethan auf dem Gewissen, weißt du? Da waren noch viele andere im Krieg – Juden, die er

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