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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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einem kalten, trübseligen Morgen Platz gemacht, an dem die Sonne sich hinter einer dicken Decke aus grauen Wolken verlor und die Häftlinge des A-Flügels nach einem wenig appetitlichen Frühstück, bestehend aus verkochtem Porridge und verbranntem Toast, hinaus ins Freie gejagt worden waren. David fröstelte und wünschte, er hätte den Mantel aus seiner Zelle mitgenommen.
    »Besuch! Besuch für Earle!«
    Einer der Aufseher schrie vom oberen Absatz der Treppe, die zu dem neuen Gebäude am Ende des B-Flügels hinaufführte, in welchem sich Freizeitraum und Trainingsbereich befanden.
    »Mann, hast du ein Glück. Schon der zweite diese Woche«, sagte David, ohne den Neid ganz aus seiner Stimme fernhalten zu können. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt Besuch bekommen hatte. Seine Mutter schämte sich, zu ihm zu kommen, und seine Freunde schienen ihn allesamt vergessen zu haben. Aus den Augen, aus dem Sinn.
    »Es geht ums Geschäft, Davy. Hab ich dir doch schon mal gesagt«, sagte Eddie und klopfte David auf die Schulter. »Nur weil ich hier eingelocht bin, heißt das doch nicht, dass ich draußen nichts am Laufen habe. Wovon ich ab und an was hören muss.«
    David drehte allein eine letzte Runde im Hof, zündete sich dazu seine letzte Zigarette an und sog den Rauch tief in seine Lungen. Eddie hatte draußen Sachen laufen, weil er in ein oder zwei Jahren rauskam. Er hatte etwas, worauf er sich freuen konnte, ganz im Gegensatz zu David, der lebenslänglich Stacheldraht und Gefängnismauern vor sich hatte.
Das ist, als wäre man lebendig begraben
, dachte er verbittert.
    Auf dem Weg zurück zum A-Flügel spürte er, wie ihm jemand auf die Schulter tippte. Als er sich umdrehte, stand vor ihm sein Ex-Mitinsasse O’Brien und sah auf ihn herab. Er wirkte viel schmaler als zuvor, und die Augen waren tief in die Höhlen gesunken.Der D-Block und er passten ganz offensichtlich nicht so gut zusammen.
    »Wie ich höre, hast du einen neuen Zellengenossen«, sagte O’Brien, während sie auf die weiße, schmiedeeiserne Treppe zugingen, die zu den oberen Stockwerken führte.
    »Ja, Earle. Eddie Earle. Der ist in Ordnung«, sagte David vorsichtig. Es war nicht seine Schuld gewesen, dass O’Brien hatte ausziehen müssen.
    »Klar ist der in Ordnung. Ich kenne ihn. Der würde seine verdammte Großmutter verkaufen, wenn er nur könnte«, sagte O’Brien. Seine Augen funkelten so wild, dass David Angst bekam.
    O’Brien entfernte sich, als sie sein Stockwerk erreichten, doch bevor er seine Zelle betrat, nahm er sich noch Zeit, sich kurz umzudrehen und eine letzte Warnung auszusprechen: »Pass bloß auf, Swain, hörst du? Der packt dich sonst ein.«
    Zurück in der eigenen Zelle merkte David, wie sehr diese Begegnung ihn verwirrt hatte. Sicher, O’Brien schien ein bisschen verrückt, aber warum sollte er sich denn groß um Eddie kümmern? Diese Frage nagte für den Rest des Nachmittags an David, auch weil er selbst nicht schlau wurde aus seinem neuen Mitinsassen. Warum war er so freundlich? Warum interessierte er sich so für Davids Lebensgeschichte? Warum nahm er so großen Anteil? David benötigte Antworten. Und die einzige Möglichkeit, sie zu bekommen, war, Eddie selber zu fragen.
    »Guter Besuch?«, fragte David und blickte von seinem
Jesus für Häftlinge
auf, als Eddie eine Stunde später wieder in die Zelle gebracht wurde.
    »Ja, ganz okay. Und was hast du gemacht?«
    »Nichts besonderes. Mit O’Brien geredet.«
    »Mit wem?«
    »Ein Ire, der vor dir hier drin war. Großer Kerl, hat’s mit Jesus, geht schnell hoch. Der mag dich nicht.«
    »Ach so?«
    »Ja, der sagt, ich soll aufpassen.«
    »Sollst du auch, Davy, sollst du auch. Jeder, der das nicht tut, ist ein verdammter Vollidiot.«
    David konnte Eddies Gesichtsausdruck nicht sehen. Er stand mit dem Rücken zu den Pritschen und machte irgendetwas beim Regal drüben.
    »Kennst du ihn?«, fragte David.
    »Ja, ich glaube, ich weiß, wen du meinst. Wenn’s derselbe Typ ist. Jesus Joe hieß er, als ich ihn das letzte Mal gesehen habe. Im Knast von Winchester war das, vor ein paar Jahren. Wir sind uns ein, zwei Mal über den Weg gelaufen. Er mag mich nicht, und ich mag ihn nicht. Das ist alles. Nichts, was man nach Hause berichten müsste.«
    Die Beiläufigkeit in Eddies Stimme wirkte ein bisschen bemüht. Scheinbar wusste er mehr, als er sagte.
    »Warum mag er dich nicht?«, fragte David.
    »Keine Ahnung. Er ist dumm und ich nicht. Ich lasse Sachen mitgehen, und er

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