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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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Er hatte offenbar überhaupt kein Problem damit, sich mit anderen Häftlingen zu unterhalten und sogar am anderen Ende der Turnhalle bei einem Basketballspiel mitzumachen. David hingegen sah dauernd auf die Uhr an der Wand. Die Zeit schien stillzustehen. Der Minutenzeiger bewegte sich überhaupt nicht, und er schaute abwechselnd zur Treppe und dann wieder zu Eddie in der Hoffnung, er würde endlich das Zeichen geben.
    Viertel nach sieben, fünfzehn Minuten vor dem Ende der Freistunde, kam Eddie zu ihm. Er war richtig wütend.
    »Was zum Teufel tust du da, David?«, flüsterte er verärgert.»Trittst von einem Bein aufs andere und starrst die verdammte Uhr an – genauso gut könntest du auch dem Wärter da drüben in allen Einzelheiten sagen, was wir vorhaben. Mach irgendwas, verdammt noch mal. Egal was. Aber hör auf, so nervös auszusehen.«
    Bevor David antworten konnte, war Eddie schon wieder weg, und die nächsten zehn Minuten spazierte David mit gesenktem Kopf am Rand der Halle entlang. Nur ab und zu blickte er zu Eddie. Die Treppe ignorierte er. Um 19.25 Uhr spürte er schließlich, wie ihn jemand an der Schulter stupste, und Sekunden später beobachtete er, wie Eddie zur Türe hinaus und die Treppe hinaufhuschte. Niemand schien ihn bemerkt zu haben, und ein oder zwei Minuten später folgte er ihm.
    Eddie wartete oben an der Treppe und hielt eine kleine Gymnastikmatte zusammengefaltet in der Hand.
    »Wozu brauchst du die denn?«, fragte David.
    »Du wirst schon sehen.«
    Die Tür zum Freizeitraum war verschlossen, doch das schien Eddie geahnt zu haben. Er zog einen dünnen Draht aus der Tasche, fummelte damit einen Moment lang im Schlüsselloch herum und öffnete dann die Tür.
    »Pillepalle«, flüsterte er, bevor er David Zeichen gab, ihm zu folgen. David hatte den Freizeitraum ganz anders in Erinnerung. Jetzt hingen Abdecktücher über den Möbelstücken, über dem Pool und den Ping-Pong-Tischen, und in der Ecke hinten stand ein Gerüst auf Rädern an der Wand. Leitern fehlten allerdings. Die Handwerker mussten sie mitgenommen haben, als sie die Arbeit beendet hatten. Draußen war die Sonne schon fast über dem Hof untergegangen, und der große Raum lag in ein unheimliches Zwielicht getaucht.
    Durch die offene Türe konnten sie unten den Pfiff hören, der das Ende der Freistunde markierte, gefolgt von Geräuschen der Häftlinge, die hinaus in den Hof und hinüber zum A-Flügel strömten, bis schließlich die Tür des Gebäudes mit lautem Knall zufiel, einWärter »Gute Nacht« rief und sie auf einmal allein in völliger Stille waren.
    »Also dann – an die Arbeit«, sagte Eddie und ging mit entschlossener Miene auf das Gerüst zu. »Los, Davy, hilf mir mal. Wir müssen das zur Seite schieben. Wir wollen doch nicht, dass man uns durchs Fenster sieht, oder?«
    Vorsichtig rollten sie das Gerüst bis zur Mitte der Wand, und sobald Eddie mit der Position zufrieden war, begann er, seitlich daran hinaufzuklettern. Auf halber Höhe stoppte er, bückte sich, um etwas von einem der Bretter aufzuheben, und gab dann einen unterdrückten Freudenschrei von sich. Er hatte etwas Metallenes in der Hand, doch im Halbdunkel konnte David nicht erkennen, was es war.
    »Wir haben Glück«, sagte Eddie, indem er seinen Fund wie eine Trophäe in der Luft hin- und herschwenkte und dabei strahlte wie ein Honigkuchenpferd.
    »Was ist das?«, fragte David irritiert von unten.
    »Eine Gerüstmanschette, du Vollidiot. Sie müssen eine übrig gehabt und nicht benutzt haben.«
    »Und wie soll die uns helfen?«
    »Um ein Loch zu machen, durch das wir da oben rausklettern können«, sagte Eddie und zeigte an die Decke. »Das Ding hier ist ein bisschen schwerer als unsere Malerpinsel, oder etwa nicht?«
    David nickte. Er hasste es, wenn man mit ihm wie mit einem Erstklässler redete, aber jetzt verstand er wenigstens.
    Als Eddie oben auf dem Gerüst angekommen war, gab er David Zeichen, ihm zu folgen. Der Raum war hoch, und die Decke des Raumes wirkte auf einmal sehr weit weg: David fluchte leise auf die Handwerker, weil sie die Leitern mitgenommen hatten. Er merkte ziemlich schnell, dass er kein so gewandter Kletterer war wie sein Mitinsasse. Ihm fehlte die Kraft in den Oberarmen, um sich von Stange zu Stange hochzuziehen, und es fiel ihm schwer, auf den schmalen Fußtritten das Gleichgewicht zu halten. Nach zwei Drittelndes Weges blieb er stecken, unfähig, sich hinauf- oder hinunterzubewegen, sodass Eddie absteigen und helfen

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