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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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lockern, zu schätzen. Aber Barry war da anderer Meinung.
    »Sei still«, sagte er, indem er sich ihr zuwandte. »Rede nicht mit ihm, Luce, verstanden?«
    Doch davon wollte sie nichts wissen. »Sei selber still«, sagte sie. »Ich bin nicht dein Eigentum.«
    David lächelte. »Sie sind also nicht verheiratet?«, fragte er.
    »Wo denken Sie hin?«, fragte sie. David konnte spüren, wie Barryvorne sich verspannte, aber sie war noch nicht fertig. »Was haben Sie denn angestellt?«, fragte sie. »Wir haben all die Streifenwagen dahinten gesehen, bevor Sie …« Ihre Stimme versagte, doch David hatte ihre übertriebene Neugier bemerkt und fühlte sich auf einmal abgestoßen.
    »Das ist unwichtig«, sagte er. »Es ist unwichtig, was ich getan habe.«
    Er schaute hinauf zur Bahnhofsuhr. Es war Zeit.
    »Geben Sie mir Ihre Jacke«, sagte er und tippte Barry auf die Schulter.
    »Nein.« Barry klang trotzig, wenn nicht gar zornig.
    »Geben Sie mir die verdammte Jacke«, fauchte David, der jetzt die Beherrschung verlor. Und sein Wutausbruch hatte den gewünschten Effekt. Der Mann zog seine Jacke aus und reichte sie David nach hinten, während die Frau, deren Angst beim Anblick der Waffe zurückkehrte, sich tief in ihren Sitz kauerte.
    »Also«, sagte David. »Ich gehe. Sie folgen mir nicht und rufen auch nicht die Polizei. Verstanden?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, stieg er aus dem Auto und ging ins Bahnhofsgebäude. Er war absolut sicher, dass sie die Polizei rufen würden, aber vielleicht nicht sofort. Und wahrscheinlich auch nicht von hier am Bahnhof. Ein bisschen Zeit hatte er wohl.
    Er bombardierte den Beamten am Schalter mit Fragen: Wann Züge fuhren, was Karten erster und zweiter Klasse kosteten, und sogar, ob es einen Speisewagen gab, denn er hoffte, der Mann würde sich an ihn erinnern, wenn die Polizei ihn später ausfragte. Schließlich ging er mit seinem Ticket für eine einfache Fahrt über die Brücke hinüber zum Bahnsteig, von dem die Züge nach London abfuhren. Und als wenige Minuten später der Zug kam und die Sicht von Fahrkartenschalter und Parkplatz aus über die Gleise hinweg auf den Bahnsteig versperrte, schlüpfte er unbemerkt durch einen Seitenausgang, kletterte über die Absperrung und ging Richtung Kanal, den Kragen von Barrys Jacke bis über die Ohren hochgeschlagen.

Kapitel Neun
    Trave saß hinter dem breiten Mahagonitisch, und zwar genau gegenüber von Titus Osman, dem eigentlichen Besitzer, der einen teuren schwarzen Anzug und Krawatte trug. Die Tischplatte war mit einer dünnen Schicht Grafit-Pulver überzogen und ansonsten leer, abgesehen von einem Telefon, einer Leselampe mit grünem Schirm und einem silbernen Bilderrahmen mit Katyas Foto. Es war schon ein paar Jahre alt und hatte nichts gemeinsam mit dem abgezehrten Häufchen Elend, zu dem sie sich entwickelt hatte. Seitlich am Tisch saß Clayton mit Notizbuch und gezücktem Stift. In seiner Blickrichtung, am anderen Ende des Raumes, lagen die Scherben des eingeschlagenen Fensters über den hellblauen Axminster-Teppich verstreut. Draußen waren Osmans rote und weiße Rosen im ersten Morgenlicht zu erkennen, und von jenseits des mit Tau bedeckten Rasens konnte man schwach die Einsatzteams der Polizei hören, die sich im Gehölz mit Rufen verständigten.
    »Tut mir leid, dass Sie warten mussten, Mr. Osman«, sagte Trave. »Hier ist der Eindringling in Ihr Haus gekommen, und wahrscheinlich ist er hier auch wieder hinaus. Deshalb ließ ich Sie hierherbringen: Damit Sie gleich überprüfen können, ob etwas fehlt oder wegbewegt wurde. Und das hieß leider, dass Sie warten mussten, bis die Spurensicherung fertig war.«
    »Kein Problem, Inspector. So hatte ich Zeit, um mich anzukleiden und ein wenig zu sammeln«, sagte Osman mit gleichgültiger Stimme.
    »Und doch wirken Sie überrascht«, sagte Trave, dem Osmans hochgezogene Augenbrauen und sein kritischer Blick auffielen. »Darf ich fragen, warum?«
    »Vermutlich bin ich es einfach nicht gewohnt, auf der falschenSeite meines eigenen Tisches verhört zu werden«, sagte Osman mit einem dünnen Lächeln. »Aber das ist nicht wichtig. Wichtig ist hier Katya, meine Nichte. Was geschehen ist, ist furchtbar, ganz furchtbar. Ich kann es nicht glauben, kann es einfach nicht für wahr halten.« Osman schüttelte sich, hob die Hand zum Gesicht und fuhr sich mit den Fingern über die Augen.
    Trave konnte nicht recht sagen, ob Osman geweint hatte. Um die Pupillen herum waren die Augen zwar gerötet, aber ob

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