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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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das von den Tränen kam oder vom Reiben, konnte man nicht wissen.
    »Es tut mir leid, Inspector«, sagte Osman, atmete tief durch und schüttelte den Kopf, als würde er versuchen, sich jetzt zusammenzureißen. Er ließ den Blick durch den Raum schweifen. »Soweit ich sehe, scheint nichts weggekommen zu sein. Die Zeit, meine Schreibtischschubladen zu untersuchen, hatte ich noch nicht.«
    »Warum halten Sie die oberste verschlossen?«, fragte Trave, ohne dabei den Blick von Osman zu wenden.
    »Weil ihr Inhalt niemanden etwas angeht.«
    »Auch mich nicht?«
    »Nein, Inspector. Auch Sie nicht. Und ehrlich gesagt, verstehe ich auch nicht, was der Inhalt mit den Ereignissen dieser Nacht zu tun haben soll.«
    Clayton rutschte auf seinem Stuhl herum – stiller Ausdruck seiner Zustimmung.
    »Schauen Sie, mein Schwager hat mir gesagt, er hätte David Swain heute Nacht vor dem Zimmer meiner Nichte gesehen – den Mann, der vor zwei Jahren meinen Gast Ethan Mendel ermordet hat«, fuhr Osman fort, indem er sich über den Tisch beugte. »Ich war der Meinung, Swain sitzt sicher verwahrt im Gefängnis. Es sei denn, er ist ausgebrochen. Ist er das, Inspector?«
    »Ja, er ist in der Tat ausgebrochen«, sagte Trave tonlos.
    »Ich verstehe«, sagte Osman, ohne sonderlich verwundert zu klingen. »Was denken Sie: Sollten wir dann nicht lieber über Mr. Swain sprechen anstatt über meine Privatkorrespondenz?«
    »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, entscheide ich, welche Fragen ich stelle, Mr. Osman«, sagte Trave. »Und vielleicht wären Sie so freundlich, mir zu erklären, warum Sie es für nötig befanden, Ihre Nichte in ihrem Zimmer eingesperrt zu halten?«
    »Die Gitterstäbe waren zu ihrer eigenen Sicherheit«, erwiderte Osman. »Und ihre Türe war nicht abgesperrt, Inspector. Wenn das der Fall gewesen wäre, hätte Mr. Swain das Zimmer ja heute Nacht nicht betreten können, oder?«
    »Vielleicht. Aber können Sie mir auch erklären, warum sie ganz offenbar unterernährt war und lauter Einstiche von Spritzen hatte?«, fragte Trave barsch, ohne sich darum zu scheren, dass sehr viel Ärger in seiner Stimme lag.
    »Die Einstiche stammen von den Drogen, die sie in Oxford konsumiert hat, bevor ich sie vergangenen Monat hierhergeschafft habe. Und sie ist dünn, weil sie das Essen verweigert hat. Nicht, dass wir uns keine Mühe gegeben hätten. Es brach mir das Herz, sie so zu sehen, aber sie war genauso stur wie ihre Mutter, meine Schwester.«
    »Dann mussten Sie sich also um professionelle Hilfe kümmern?«
    »Ja, natürlich. Mein Arzt war regelmäßig hier, um nach ihr zu sehen.«
    »Ist er ein Psychiater?«
    »Er ist Arzt. Ein guter Arzt.«
    Ein unangenehmes Schweigen machte sich breit. Wie schon zuvor war Clayton auch jetzt irritiert, wie Trave diese Vernehmung führte. Natürlich mussten Fragen zum körperlichen Befinden des Opfers gestellt werden, aber es gab einfach keinen Beweis dafür, dass sie in ihrem Zimmer gefangengehalten wurde. Und genausowenig war Traves kaum verhohlene Feindseligkeit Osman und seiner Familie gegenüber durch irgendetwas gerechtfertigt.
    »Können Sie uns sagen, was Sie über die Vorgänge heute Nacht wissen?«, fragte Clayton, der jetzt erstmals den Mund aufmachte.
    »Selbstverständlich«, sagte Osman und wandte seine Aufmerksamkeitdem jüngeren Beamten zu. »Gegen elf ging ich zu Bett. Ich hörte Schüsse …«
    »Wie viele?«
    »Mehrere. Ich bin nicht sicher. Ich habe geschlafen. Ich stand auf und öffnete die Tür meines Schlafzimmers. Ich hörte, wie Franz meinen Namen rief, und dann rannte jemand den Korridor entlang an mir vorbei. Er bewegte sich sehr schnell, und instinktiv trat ich zurück in mein Zimmer, weil er mich ansonsten über den Haufen gerannt hätte.«
    »Haben Sie gesehen, wer es war?«
    »Nein, er war zu schnell.«
    »Er?«
    »Ich hatte den Eindruck, es sei ein Mann. Wie schon gesagt, er war sehr schnell.«
    »War das Licht an?«
    »Ja. Als ich die Tür öffnete, war es dunkel draußen, deshalb habe ich im Korridor das Licht angemacht. Jetzt wünschte ich, ich hätte es nicht getan, denn damit half ich offenbar Swain, den Weg hinunter zu finden.«
    »Und wo ist Ihr Schlafzimmer, Sir?«, fragte Clayton.
    »Genau über uns, es geht vom Gang im ersten Stock ab. Wenn man vor dem Gebäude steht, ganz hinten links.«
    »Vielen Dank«, sagte Clayton und notierte sich das.
    Osman ließ wohlwollend seinen Blick auf Traves Assistenten ruhen. Trave hingegen sah jetzt noch nachdenklicher aus als

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