Der König der Diamanten
was ich sage«, sagte David lauter als zuvor. »Schließen Sie Ihre verdammte Türe, und fahren Sie los. Wenn nicht, mache ich Gebrauch von diesem Ding hier. Das können Sie mir glauben.«
»Mach, was er sagt, Barry. Bitte!« Die Stimme der Frau schwoll bei dem letzten Wort beinahe zu einem Schrei an. Aber der Mann machte keine Anstalten, den Wagen zu starten.
»Also gut«, sagte David, der tief durchatmete und sich größte Mühe gab, ruhig zu bleiben. »Ich kann nicht den Wagen nehmen und Sie hierlassen, denn Sie würden schnurstracks zu dem Laden da drüben gehen, Mr. und Mrs. Parsler aufwecken – wenn sie nicht noch längst wach sind – und sie dazu bringen, die Polizei zu rufen. Ich brauche einen Vorsprung, und deshalb müssen Sie fahren. Verstanden? Zwanzig Minuten – mehr brauche ich nicht. Und danach sehen Sie mich nie wieder. Das verspreche ich.«
David war sich nicht sicher, ob es das war, was er sagte, oder die Art und Weise, wie er es sagte, jedenfalls zeitigten seine Worte diegewünschte Wirkung und der Mann entspannte sich. Mit einem deutlich hörbaren Seufzer ließ er die Schultern sinken.
»Aber Sie nehmen das Ding da runter«, sagte er und wandte den Kopf nach hinten, um David anzusehen. »Ich kann nicht fahren, wenn die auf mich gerichtet ist.«
Vorsichtig legte David die Waffe neben sich auf den Rücksitz und bedeckte sie mit der Hand. Der Mann nickte, zog die Türe zu und steckte den Schlüssel ins Schloss. Beim Losfahren sah David, dass in einigen Häusern bereits Lichter brannten, auch über dem Schaufenster des Krämerladens, und ohne dass er recht wusste warum, schoss es ihm durch den Kopf, dass die Ereignisse der Nacht zumindest für das Geschäft der Parslers gut gewesen sein könnten.
Sie fuhren ohne zu reden. Die Frau sah immer wieder zu David zurück und auf die Waffe neben ihm, aber er achtete nicht auf sie. Er dachte nach, überlegte, was er machen sollte, und das, während der Schmerz in der Schulter immer stärker wurde und abwechselnd heiße und kalte Wellen durch seinen Körper jagten. Er fragte sich, wieviel Zeit er wohl hatte, bevor er ohnmächtig wurde.
Als sie die Cowley Road zur Hälfte hinter sich hatten, ließ er sie wissen, wo es hingehen sollte. »Zum Bahnhof«, sagte er. »Bringen Sie mich zum Bahnhof von Oxford.«
Es war ein komisches Gefühl, sich schon wieder auf dem Bahnhofsparkplatz einzufinden, nur wenige Meter neben der Stelle, an der Eddie und er vom Gefängnis kommend vor fünf Stunden so beschwingt ausgestiegen waren. Kaum zu glauben, dass das erst so kurze Zeit her war.
Wo Eddie jetzt bloß steckte?
, fragte sich David wütend. Er konnte Eddie vor sich sehen, wie der in seinem roten Triumph durch die Nacht davonbrauste, auf dem Weg in ein neues Leben, doch dann verbannte er dieses Bild aus seinem Kopf. Es gab jetzt Wichtigeres, über das er nachdenken musste, etwa darüber, wie es ihm gelingen könnte, eine falsche Fährte zu legen. Er musste sich konzentrieren.
»Aber wollen Sie denn nicht gehen?«, fragte der Mann und sahDavid im Rückspiegel an. »Zwanzig Minuten – das war, was Sie gesagt haben. Wir haben getan, was Sie verlangt haben.«
»Erst muss ich wissen, wann der erste Zug nach London geht. Dann verschwinde ich. Gehen Sie rüber an die Tafel und schauen Sie nach. Dort wird das wohl stehen.«
»Da brauche ich nicht nachzusehen«, sagte der Mann. »Sonntags fährt der erste um zwanzig vor sechs.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Mit dem bin ich schon gefahren.«
»Also gut, dann zwanzig vor sechs«, sagte David und lehnte sich zurück. Schweigen machte sich breit. Der Mann, Barry, starrte vor sich hin, den Blick direkt auf die viktorianische Uhr über dem Eingang des Bahnhofs gerichtet. Seine Beifahrerin hingegen schaute nach wie vor nach hinten zu David. Sie schien jetzt weniger Angst zu haben, so als hätte sie verstanden, dass, wenn er ihnen etwas hätte tun wollen, er das schon längst getan hätte. Sie war auf eigentümliche Weise ziemlich hübsch, stellte David fest. Sie trug ein schickes Partykostüm und hatte eine Schleife im Haar – nur dass hier gerade ein Abend ausklang, den er in einen Alptraum verwandelt hatte.
»Wie heißen Sie?«, fragte er.
»Lucille«, sagte sie. »Und Sie?«
»David.« Ihm gefiel, wie sie sich selbst bezeichnete. Nicht Lucy, sondern Lucille. Das hatte Klasse. »Sehr erfreut«, setzte er hinzu und versuchte, witzig zu klingen. Und sie lächelte, so als wisse sie diesen Versuch, die Spannung zu
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