Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
Vom Netzwerk:
seine Illusionen bis zum Schluss behalten. War das wirklich zu viel verlangt?
    »Zwanzig Pfund«, sagte sie. Und er griff in die Tasche und zählte die Summe ab, ohne sich groß darum zu kümmern, dass dieser Betrag ihren Wert bei weitem überstieg. Dann drehte er sich um und ging vor ihr durch die Eingangstür und das schwach beleuchtete Treppenhaus hinauf. Das Mädchen folgte in ihren hochhackigen Schuhen.
     
    Er konnte nicht. Sosehr er sich auch anstrengte, er konnte nicht. Vielleicht war ja die Anstrengung schuld, dass er nicht konnte, vielleicht der Alkohol. Vielleicht aber auch die Art und Weise, wiesie die ganze Angelegenheit in ein schnödes Geschäft verwandelt hatte und auf dem Bett liegend aus dem Fenster starrte, während er sich anstrengte, anstrengte und nochmals anstrengte. Er konnte sich noch gut an das Gefühl im Casino erinnern – als hätte er die ganze Welt in seiner Hand, als sei er der verdammte Karo- oder Diamanten-König höchstpersönlich. Und dann das hier. Er versagte in dem, was jeder x-beliebige Mann konnte, und dann auch noch in einer abgesifften Bude mit einem Mädchen, dem er völlig gleichgültig war. Sie war genau wie alle anderen. Vielleicht sogar schlimmer – sie hatte nicht mal nach seinem Namen gefragt, und in ihren dummen, geschminkten Augen war nichts zu lesen außer dass ihr alles egal war.
    Schließlich gab er auf, zog sich zurück und goss sich aus der halbvollen Flasche am Nachttisch ein weiteres Glas Whisky ein. Er kippte es mit dem Rücken zu ihr hinunter und hörte zu, wie sie sich am Waschbecken säuberte, ihre Kleider anzog und sich fertigmachte zum Gehen. Zum Verschwinden. Wie Frauen eben immer verschwanden. Jede einzelne. Immer das Gleiche.
    »Fick dich«, sagte er, indem er sich zu ihr umdrehte und sah, wie sie auf einem Bein balancierte und sich vorbeugte, um ihren Schuh anzuziehen. »Fick dich, Audrey.«
    »Sieht nicht so aus, Kumpel«, fauchte sie zurück. Er merkte, wie viel Verachtung in ihrer Stimme war – und wie viel Hohn in ihren Augen. Und da zerbrach etwas in ihm. Er würde ihr schon zeigen, dass er ein Mann war. Wenn nicht auf die eine Art, dann eben auf eine andere. Und er umschloss mit festem Griff die Whiskyflasche und zog sie ihr über den Schädel.
    Sie bemerkte den Hieb zu spät, um auszuweichen, doch rechtzeitig genug, um schützend den Arm zu heben. Und sie ging nicht zu Boden, sondern rannte schreiend aus dem Zimmer, während er sich aufs Bett sinken ließ, in der Hand die Überreste der zerbrochenen Flasche, zu seinen Füßen einen ihrer Schuhe.
     
    Sie steckten ihn wegen Körperverletzung für den Rest der Nacht ins West End Central und schickten ihn dann im Polizeiwagen zurück nach Oxford. Er saß auf dem Rücksitz, eingequetscht zwischen zwei riesigen Beamten in Uniform, die während der Fahrt kein Wort sprachen und stur geradeaus starrten wie ausrangierte Roboter. Doch so beengt seine Situation auch war, so genoss er dennoch die Fahrt. Vorneweg fuhr ein Wagen mit Blaulicht und Sirene, der dem Gefangenentransport den Weg durch den Verkehr bahnte, und er fühlte sich wieder wichtig, so wie er sich am vorigen Abend im
Monte Carlo Casino
gefühlt hatte, als eine Runde Blackjack nach der anderen an ihn ging. Ein Gefühl des Hasses kochte für einen Moment in Eddie hoch, als er sich daran erinnerte, wie ihr Gesicht ausgesehen hatte, kurz bevor er ihr die Flasche über den Schädel zog. Dieses miese Flittchen hatte genau das bekommen, was es verdient hatte, auch wenn er deswegen wieder in den Bau musste.
    Doch schon begann Eddies Ärger wieder zu verfliegen. Seine Begabung lag darin, in der Gegenwart zu leben, und er hatte auch nicht wirklich damit gerechnet, dauerhaft auf der Flucht sein zu können. Er hatte es David nicht gesagt, aber er wusste, dass so gut wie alle Ausbrecher innerhalb weniger Tage wieder eingefangen wurden. Er mit seiner ganzen Woche lag da ganz gut im Rennen und freute sich darauf, dass man ihm im Gefängnis angesichts seines abenteuerlichen Ausbruchs mit viel mehr Respekt begegnen würde. Das war fast schon die Verlängerung der Haftzeit wert, so es denn eine solche wirklich geben sollte. Vielleicht könnte er ja ein Geschäft einfädeln? Er war sich ziemlich sicher, dass es die Bullen sehr interessieren würde, was er von David und ihren nächtlichen Plaudereien über diese Katya zu erzählen wusste. Gerade diesen selbstgerechten Detective, diesen Trave, der die Ermittlungen leitete. Der war es ja auch, der Eddie beim

Weitere Kostenlose Bücher