Der König der Diamanten
wahrscheinlich wie eine Reise zum Mond. Aber Radio Luxemburg war auch nicht viel besser – noch mehr idiotische Musik. David drehte erneut am Reglerknopf und erstarrte. Ein Mann mit einerkalten, schottisch klingenden Stimme hatte gerade seinen Namen gesagt.
»David Swain … neues Vorgehen … bei der Ermittlung Inspector Trave abgelöst, der aus privaten Gründen den Eindruck gewann, David Swain sei unschuldig … wir werden unsere Anstrengungen verdoppeln, um Swain zu finden … rufen die Bevölkerung zur Mithilfe auf …«
David bekam das Gesagte nur fetzenweise mit. In seinem Kopf tobte plötzlich ein heftiger Sturm, und er musste schlucken, um sich nicht zu übergeben.
Die Schlinge zog sich zu. Er konnte es spüren. Es konnte nicht mehr lange dauern, es sei denn … es sei denn, dieser Polizist, dieser Trave, der mit den traurigen Augen, der an seine Unschuld glaubte – vielleicht könnte der ihm helfen …
Trave war am Abend zuvor Creswells Rat gefolgt. Er war nach Hause gegangen und hatte sich ein paar Drinks genehmigt, und dann, als das nichts half, hatte er sich ein paar weitere genehmigt. Mürrisch saß er in seinen Sessel gezwängt vor dem kalten Kamin und erging sich in Selbstmitleid. Dabei blätterte er mechanisch in verstaubten Fotoalben und betrachtete alte Aufnahmen von Vanessa und seinem toten Sohn. Als er schließlich die halbe Whiskyflasche geleert hatte, war er vollständig angezogen eingeschlafen und dann im ersten Morgenlicht wieder aufgewacht. Halbtot hatte er sich gefühlt. Doch es war nicht seine Art, sich widrigen Umständen dauerhaft zu beugen. Stets war er einer gewesen, der sich bis ins Ziel kämpft, auch wenn das Rennen längst gelaufen war. Er erinnerte sich daran, wie schwer es ihm in der Schule gefallen war, schwimmen zu lernen, so schwer, dass seine Eltern schon verzweifelten. Doch er gab nicht auf, strampelte und schluckte Wasser, bis er dann eines Tages an der Oberfläche bleiben konnte.
Und so stärkte er sich mit zwei Tassen starken schwarzen Kaffeesund machte einen Spaziergang um den einsam daliegenden Golfplatz am Ende der Straße, um seine Lungen mit beißend kalter Morgenluft zu füllen. Danach verrichtete er im Schein der Herbstsonne stundenlang Gartenarbeit – Unkraut jäten, die Rosen mulchen, das Laub vom Rasen rechen –, bis er sich wieder wie ein menschliches Wesen fühlte. In der Nacht von Sonntag auf Montag konnte er gut schlafen, und den Montag nahm er dann frei, um sich komplett zu erholen. Und gerade als er aus dem Garten ins Haus kam und sich hemdsärmelig zum späten Lunch an den Tisch setzte, klingelte das Telefon.
»Machen Sie das Radio an. Die Vierzehn-Uhr-Nachrichten«, sagte eine Stimme, die ihm bekannt vorkam.
»Wie bitte? Wer ist dran?«, fragte Trave, doch die Leitung war schon tot. Woher kannte er nur diese Stimme? Dass er nicht draufkam, ärgerte ihn, doch sein Grübeln war schlagartig vorüber, als die Stimme von Hugh Macrae über den Äther ertönte.
Trave konnte es nicht glauben. Aus Gründen, die nur ihm selbst bekannt sein konnten, ließ Macrae das ganze Land wissen, dass Trave seine Arbeit nicht richtig gemacht hatte, und zwar aus privatem Interesse. Trave fühlte eine ähnliche Wut in sich hochkochen wie zwei Tage vorher vor Osmans Haus. Er rannte nach oben, zog sich Anzug und Krawatte an und raste dann zum Polizeirevier, wobei er zwei rote Ampeln überfuhr.
Der Parkplatz war voller Reporter, die aus der Pressekonferenz kamen. Einige von ihnen erkannten Trave und baten laut rufend um eine Stellungnahme, doch ohne zu antworten drängte er sich an ihnen vorbei die Treppe hinauf und fand sich im Foyer des Gebäudes Auge in Auge mit Clayton.
»Haben Sie das gehört? Haben Sie gehört, was er gesagt hat?«, fragte Trave. Er war rot im Gesicht und konnte kaum atmen vor Empörung.
»Ja, es tut mir leid«, sagte Clayton. Die Situation war ihm peinlich, und er wusste nicht, was er sagen sollte.
»Was zum Teufel will Macrae damit erreichen?«, fragte Trave. »Wissen Sie das?«
»Ich darf über den Fall nicht sprechen«, sagte Clayton betroffen. »Ich habe es versprochen.«
»Aber ich habe ein Anrecht zu wissen …«
»Nein, das haben Sie nicht. Sie haben hier überhaupt kein Anrecht«, sagte Macrae, der hinter Clayton aufgetaucht war und sich direkt vor Trave aufbaute. »Sie sind von diesem Fall suspendiert. Ich bin mir sicher, Sie finden irgendeine andere sinnvolle Tätigkeit …«
»Sie Scheißkerl, Sie«, brüllte Trave, den
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