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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Tolkien
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erneut die Wut packte, und ballte die Fäuste.
    »Oha! Wollen Sie mir jetzt etwa auch eine reinhauen?«, fragte Macrae mit einem schiefen Grinsen. »Erst dem Hauptbelastungszeugen und dann einem Kollegen – wo soll das denn hinführen, Bill? Können Sie mir das vielleicht sagen?«
    Trave schaffte es nicht, seinen Ärger im Zaum zu halten. Er hasste Macrae mindestens ebensosehr wie Osman. Er wollte sie beide bis zur Bewusstlosigkeit prügeln.
Aber doch nicht so
, protestierte eine zaghafte, fast schon erstickte Stimme in seinem Kopf, und Trave merkte plötzlich, dass er dabei war, mit dieser irrsinnigen Wut sich selbst zu zerstören – und nicht seine Feinde. Mit allergrößter Anstrengung gelang es ihm, die Beherrschung wiederzuerlangen und sowohl die Fäuste als auch die Kieferknochen zu entspannen. Er atmete tief durch und sah Macrae in die Augen. »Wir sind hier noch nicht fertig«, sagte er mit größtmöglicher Ruhe. »Das ist erst der Anfang.« Und dann drehte er seinem Widersacher den Rücken zu und ging in Richtung seines Büros, ohne eine Antwort abzuwarten.
    Auf dem Gang begegnete er Jonah Wale. Als er dessen feixende Miene erblickte, wurde ihm klar, wer der geheimnisvolle Anrufer gewesen war. Kurz überlegte er, ob er umdrehen und sich mit ihm prügeln sollte. Doch er wusste, dass er sich dabei nur lächerlichmachen würde. Zehn Minuten später stellte die Zentrale einen Anruf von einer öffentlichen Telefonzelle durch. Es war David Swain.
     
    »Kann ich Ihnen vertrauen? Woher weiß ich, dass ich Ihnen vertrauen kann?« Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang gehetzt, atemlos, voller Angst.
    »Nun, weil ich der Überzeugung bin, dass diese Verbrechen nicht von Ihnen begangen wurden. Es gibt da zu viele Dinge, die nicht zusammenpassen«, sagte Trave eindringlich. »Hören Sie – ich möchte Ihnen helfen. Aus dem Grund wurde mir dieser Fall entzogen. Aber das kann ich nur, wenn Sie mir sagen, was in Blackwater Hall geschehen ist. Ich muss wissen, was passiert ist, David.«
    »Ich kann nicht sprechen. Nicht hier. Mein Gott, ich bin in einer Telefonzelle. Ich bin mitten auf der Straße. Jemand wird mich erkennen, man wird mich …« Swain verstummte, und Trave spürte, wie der Mann in Panik geriet.
    »Schon gut, beruhigen Sie sich«, sagte er beschwichtigend. »Wir können uns treffen. Das ist sowieso besser. Wo Sie wollen. Egal wo …«
    Am anderen Ende der Leitung war es still. Es klang, als würde jemand atmen, aber Trave war unsicher, ob er das nicht vielleicht selber war – fühlte er doch die Luft stoßweise aus seiner Lunge entweichen. Und gerade, als Trave die Hoffnung aufgeben wollte, sprach Swain weiter: »Die St. Luke’s School unten am Fluss. Kennen Sie die?«
    »Ja.«
    »Es gibt einen Cricket-Pavillon. Dort treffen wir uns.«
    »Wann?«, fragte Trave.
    »Heute abend, zehn Uhr, nein: Halb elf. Wenn Sie nicht allein sind, finden Sie mich nicht, dann brauchen Sie gar nicht erst kommen …«
    »Keine Sorge. Ich werde alleine …« Trave brach ab, denn die Leitung war schon tot.
    Traves Hand zitterte, als er den Hörer einhängte. Fragen ohne Antwort schwirrten ihm im Kopf umher. Warum hatte Swain ihn angerufen? Was wollte er? Und warum jetzt? Es lag sicher an der Pressekonferenz, an dem, was Macrae verkündet hatte. Trave musste plötzlich grinsen, denn ein wunderbarer Gedanke schoss ihm durch den Kopf: Konnte es sein, dass Macraes große Klappe auf einmal dafür sorgte, dass Trave endlich die Chance kriegte, auf die er so lange gewartet hatte? Swain wusste vielleicht etwas, das diesen Fall lösen würde. Wenn dem so wäre, müsste Trave dem guten Macrae auf ewig dankbar sein dafür, dass er ihm diese Gelegenheit verschafft hatte.
    Bis zu dem verabredeten Treffen waren es noch viele Stunden. Trave versuchte sich abzulenken, indem er sich den Aktenhaufen vornahm, der seit der vorigen Woche seinen Schreibtisch überwucherte. Er war indessen nicht richtig bei der Sache, deshalb gab er nach einer halben Stunde auf und nahm seinen Mantel, um nach Hause zu gehen. Er steuerte seinen Wagen fast wie im Halbschlaf und bemerkte deshalb den unscheinbaren Mini-Cooper nicht, der hinter ihm den Parkplatz verließ und ihm folgte.
     
    St. Luke’s war eine altehrwürdige Privatschule, in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts von einem anglikanischen Philanthropen gegründet, der mit der Herstellung von Stahlkupplungen für Dampflokomotiven enormen Reichtum angesammelt hatte. Eine Statue des Mannes in

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