Der König Der Komödianten: Historischer Roman
es sonst immer bei Franceschina und Caterina macht.« Sie warf sich in die Brust. »Und du tatest es. Also habe ich gewonnen. Hättest du es nicht getan, hätte ich verloren.«
»Es ist trotzdem keine richtige Wette.« Im Grunde war jeder Kommentar zu dieser hirnrissigen Nicht-Wette völlig überflüssig, doch eine Aufwallung zorniger Besserwisserei nötigte mich, ihre Argumente in der Luft zu zerreißen. »Denn es gibt ja keinen Wetteinsatz. Wenn niemand etwas setzt, ist es keine Wette.«
»Oh, aber da täuschst du dich, Marco. Ich habe sehr wohl etwas gesetzt. Hätte ich verloren, hätte ich morgen für einen neuen Versuch eine andere Bluse anziehen müssen. Eine mit tieferem Ausschnitt, von der Sorte, wie sie Caterina immer trägt. Nun bin ich froh, dass ich es nicht tun muss, denn es führt dazu, dass eine Frau die Hälfte des Tages nichts anderes zu tun hat, als sich die Männer vom Hals zu halten, und die andere Hälfte damit zubringt, den Sitz ihrer Bluse im Auge zu behalten.« Sie lächelte mich sonnig an. »Möchtest du auch wissen, was ich auf den Sieg gesetzt habe?«
»Nein«, behauptete ich, obwohl ich darauf brannte, es zu erfahren.
»Gut. Dann sage ich es dir nicht, sondern werde dich damit überraschen. Heute noch.«
Damit ließ sie mich stehen und schlenderte Rodolfo entgegen, der sein Gespräch mit dem Geistlichen beendet hatte und zu uns zurückkam.
Während in meinem Kopf die reine Konfusion herrschte,gab ich mich unbeteiligt und tat, als ob ich aufmerksam zuhörte, was Rodolfo uns zu berichten hatte. In Wahrheit bekam ich nichts mit, weil ich unablässig darüber nachsann, was mich heute noch erwartete. Gewiss nichts Gutes, so viel stand fest.
»Du übernimmst das doch, oder?«, fragte Elena mich.
»Äh … was?«
»Den Antrag«, sagte sie ungeduldig.
»Ich komme dafür leider nicht in Betracht«, erklärte Rodolfo. »Die meisten Menschen halten mich für einen Narren, das ist mein Schicksal.« Er hob die buschigen Brauen. »Bis auf jene, die ich mit Schwert, Arkebuse und Morgenstern eines anderen belehrte. Aber die können nicht mehr für meinen Sachverstand bürgen.« Er grinste und entblößte dabei seine Zahnlücke.
»Tja, und ich komme auch nicht infrage«, sagte Elena. »So ungern ich es zugebe, aber als Frau in meinem Alter und mit meiner Haarfarbe wirke ich auf Amtsträger nicht besonders kompetent. Du bist zwar auch nicht viel älter als ich, dafür aber enorm groß und kräftig, das macht immer Eindruck. Und falls dir irgendwer mit was Lateinischem kommt, kannst du bestens mithalten, das wird uns zum Vorteil gereichen.«
Daraus schloss ich, dass sie den Antrag auf eine Genehmigung für die Nutzung des Platzes als Bühne meinte. Immerhin war ihr die Einsicht gegeben, dass ich mich für diese Aufgabe besser eignete als sie, was meinen Verdruss ein wenig milderte.
Unwillkürlich reckte ich mich. »Kein Problem«, meinte ich lässig.
»Das denke ich auch. Du musst einfach nur so tun, als hättest du Ahnung von dem, was du willst.«
Ich unterdrückte ein Zähneknirschen und machte mich mit den beiden auf den Weg, wohin immer dieser uns auch führte.
Es ging in Richtung Markusplatz, wie ich im Laufe der nachfolgenden Unterhaltung erfuhr. Im Dogenpalast, wo alle wichtigen Ämter untergebracht waren, sollte der zuständige Beamte ausfindig gemacht und um die nötige Erlaubnis ersucht werden. Der Priester von San Stefano hatte nichts gegen unterhaltsame Veranstaltungen auf dem Campo, solange nach jeder Aufführung eine noch näher auszuhandelnde Summe der Kirche gestiftet werde. Dessen ungeachtet müsse unser Vorhaben auch von der städtischen Obrigkeit abgesegnet sein. Er hatte Rodolfo den Namen eines Provveditore 23 genannt, der uns weiterhelfen konnte.
Da ich diesmal beharrlich zwei Schritte hinter Elena ging, konnte niemand mehr mir vorwerfen, dass ich in ihren Ausschnitt starrte, womit ich zugleich Gelegenheit hatte, mich anderweitig umzusehen. Verwinkelte Gassen, schmale Wasserläufe, hohe, dicht stehende Häuser, steile Brücken und dicht umbaute Plätze – von der Gestaltung des Stadtbildes her hätte es beengend sein müssen, doch das war es nicht, denn hinter jeder Ecke tat sich ein anderer faszinierender Anblick auf. Immer wieder wurde das Auge von Einzelheiten gefangen genommen, sei es ein besonders kunstvoll geschmiedetes Brückengeländer, eine herausgeputzte Gondel auf einem der Kanäle, ein buntes Kirchenfester oder eine mit leuchtenden Fresken bemalte Fassade.
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