Der König Der Komödianten: Historischer Roman
unterdessen Baldassarres Blick. Dass er seinerzeit womöglich nicht nur düpierte Geschäftspartner, sondern auch enttäuschte Frauenzimmer zurückgelassen hatte, war ein neuer unangenehmer Aspekt seines früheren Aufenthalts in Venedig.
»Kennen wir uns, schönes Kind?«, fragte Baldassarre. Er hatte sich aufgesetzt und lächelte die Frau an.
Die Frau sah uns abwechselnd an. »Was soll das hier?«, fragte sie langsam. »Hast du das Ufer gewechselt?«
»Mein liebes Kind, man hat mir schon vieles unterstellt, aber das gewiss noch nie«, sagte Baldassarre verbindlich. »Wäre ich nicht von geradezu biblischem Alter, würde ich mich auf der Stelle bereitmachen, die wahre Natur meiner Neigungen unter Beweis zu stellen. Galt ich doch einst eher als Stier denn als Mann!« Er betrachtete die Frau grübelnd. »Leider ist das lange her, und seitdem ist nicht nur meine Jugend dahin, sondern auch ein erklecklicher Teil meines Gedächtnisses. Wie lautete noch gleich dein Name?«
»Jetzt reicht es, Adelina.« Die Badewirtin näherte sich, einen unheilvollen Ausdruck im Gesicht. »Hör auf, die Herrschaften zu belästigen! Zurück in die Küche mit dir!«
»Ah, Adelina heißt sie«, sagte Baldassarre. Er furchte die Stirn. »Tut mir leid, bei dem Namen will sich nichts bei mir regen. Aber wie gesagt, ich bin ein hochbetagter Mann.«
Schnaubend drehte Adelina sich auf dem Absatz um und rauschte davon.
»Sie arbeitet noch nicht lange hier«, sagte die Badewirtin entschuldigend.
Summend ging sie anderen Verrichtungen nach, und ich vertilgte in Windeseile den Kuchen, damit wir schneller aufbrechen konnten. Baldassarre, in Gedanken versunken, erhob keine Einwände, als ich anregte, das Bad zu beenden.
»Ich mache mir große Sorgen«, sagte er, nachdem wir das Badehaus verlassen und die Brücke mit Aussicht auf die barbusige Matilda passiert hatten. »Dass mir eine Frau, der ich einst den Kopf verdrehte, gänzlich fremd erscheint …« Bedrückt schüttelte er den Kopf. »Offenbar werde ich wirklich alt.«
Mir kam ein Gedanke. »Sie hat Euch verwechselt!« Froh über diese einleuchtende Erklärung fuhr ich fort: »Gewiss kennt sie so viele Männer, dass sie Probleme hat, sie alle auseinanderzuhalten.«
Baldassarres Miene hellte sich auf. »Meinst du?«
»Ganz sicher.« Ein weiteres Argument fiel mir ein.»Außerdem wart Ihr viele Jahre nicht in Venedig, wie soll sie Euch da kennen? So alt ist sie noch nicht. Damals war sie gewiss noch ein kleines Kind.«
Das überzeugte ihn. »Du hast recht! Als ich das letzte Mal hier war, war Elena noch nicht auf der Welt. Also war es eine Verwechslung!«
Damit war seine Befürchtung, senil zu sein, mithilfe von Logik aus der Welt geschafft. Dennoch wollte das merkwürdig nagende Gefühl, dass die Begegnung mit Adelina in mir zurückgelassen hatte, während des gesamten Rückwegs nicht weichen.
»Rodolfo hat sich freundlicherweise bereit erklärt, uns zu begleiten«, informierte mich Elena bei unserem Eintreffen in der Herberge.
»Uns?«, fragte ich verwirrt.
»Dich und mich.«
»Wohin denn?«
»Durch die Stadt. Wir müssen einen geeigneten Platz für unseren nächsten Auftritt erkunden. Und Rodolfo wird uns dabei behilflich sein, da er Venedig gut kennt.« Schnüffelnd trat sie einen Schritt an mich heran. »Du riechst nach … Parfüm!« Ihr Blick wurde frostig. »In welchem Badehaus wart ihr, du und Großvater?«
»Ich … hm, also …«
»Gab es dort Frauen?«
»Nur die Badewirtin«, beteuerte ich. »Und eine Küchenmagd. Und sie haben nicht hingesehen, als wir uns auszogen.«
»Und wer hat das Rosenöl ins Bad geschüttet? Die Badewirtin oder die Küchenmagd? Und warum hat sie so viel davon genommen? Weil sie nicht hingesehen hat?«
»Ein Knecht hat den Zuber gefüllt«, erklärte ich wahrheitsgemäß, das unwichtige Detail der Parfümierung vernachlässigend. Doch dann straffte ich mich. Was ging es sie überhauptan? War ich nicht ein erwachsener Mann, dessen gutes Recht es war, ein Badehaus aufzusuchen, wo auch Frauen zugegen waren?
Elena machte jedoch keine Anstalten, weiter in mich zu dringen. Sie bat Cipriano, während unserer Abwesenheit auf ihren Großvater zu achten, der sich zu einem zweiten Frühstück in den Schankraum begeben hatte.
Dort servierte Franceschina den Männern gebratene Eier mit Speck; offensichtlich hatte sie mit dem Betreiber der Herberge bereits eine ähnliche Regelung getroffen wie mit den Wirtsleuten in Padua.
»Willst du essen, bevor wir
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