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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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befand.
    Nichtsdestotrotz merkte ich rasch, dass mir mein Richtungssinn nicht viel half. Jede dritte Gasse endete abrupt an einem Kanal oder in einer Sackgasse. Mehr als einmal fand ich mich in einem winzigen Hinterhof wieder, der keinen zweiten Ausgang aufwies, oder auf einer Fondamenta, von der aus man wahlweise bloß entweder ein Haus betreten oder ein Boot besteigen konnte. Oder ins Wasser springen, was schon deshalb ausschied, weil ich nicht schwimmen konnte.
    Ein durchdachtes System hinter der Anordnung der Fußwege schien es nicht zu geben. Meinte ich etwa eben noch, auf einer gut ausgebauten Gasse unterwegs zu sein, so stand ich gleich darauf vor einer geschlossenen Häuserzeile.
    Die Suche nach Um- und Auswegen in diesem Wirrwarr führte mich auf einen stundenlangen Zickzackkurs, ohne dass ich dabei meinem Ziel näher kam. Mein Windlicht stand bereits kurz vorm Verlöschen, als ich endlich eine Brücke erreichte, die ich wiedererkannte. Von hier aus war es nicht mehr weit – vorausgesetzt, ich schaffte es, die Sackgassen zu meiden.
    Theoretisch hätte ich nach dem Weg fragen können. Sogar zu dieser nachtschlafenden Zeit waren recht viele Leute in der Stadt unterwegs, zu Wasser wie zu Lande. Gondeln glitten im Licht gespenstisch leuchtender Bootslaternen vorbei, die Konturen mit den Schatten der Kanalmauern verschwimmend. Nachtschwärmer kamen mir entgegen, tief in ihre Umhänge gehüllt und Windlichter oder Fackeln vor sich hertragend, und wenn sie an mir vorüberschritten, blickte ich nicht selten in ein maskiertes Gesicht.
    Indessen widerstrebte es mir, jemanden um eine Wegbeschreibung zu bitten. Ich war ein Mann und konnte mich selbst zurechtfinden!
    Oben auf der Brücke blieb ich stehen, um mich neu zuorientieren und die Entfernung abzuschätzen, die ich noch zurückzulegen hatte.
    »Kann ich Euch helfen, junger Mann?« Ein Mann kam über die Brücke auf mich zu. »Ihr seht aus, als hättet Ihr Euch verlaufen.«
    Er trug einen wallenden Umhang, und sein Gesicht unter dem tief gezogenen Hut war von einer der typischen venezianischen hellen Masken bedeckt. Ich lauschte seiner Stimme nach, die mir vage bekannt vorkam. Vielleicht hatte er am Abend die Vorstellung besucht? Einerlei, die Gelegenheit war günstig, nach dem Weg zu fragen, ohne das Gesicht zu verlieren, immerhin hatte er es mir angeboten.
    »Ich bin neu in der Stadt und logiere in dem alten Palazzo von Messèr Morosini.«
    »Ich weiß. Ihr gehört zur Theatertruppe und habt das Eintrittsgeld eingesammelt. Ich selbst war ebenfalls dort, wenngleich ich zu spät kam, um eingelassen zu werden.«
    Demnach hatte ich richtig vermutet. »Ich wollte nur frische Luft schnappen und bin vom Weg abgekommen«, erklärte ich. »Die vielen Sackgassen und Kanäle sind ungewohnt.«
    »Ja, daran sind schon andere verzweifelt, wobei es keineswegs nur Zugereiste trifft.« Der Maskierte deutete in eine dunkle Gasse. »Dort hinein und nach dem dritten Haus gleich rechts in den Sottoportego , so nennen wir in Venedig die Durchgänge unter einem Haus. An dessen Ende haltet Ihr Euch links bis zur nächsten Brücke. Vor dieser Brücke wieder links bis zur Kirche, die Ihr halb umrundet und dann quer über den Campo geht. Danach seht Ihr ein paar Schritte voraus die Ca’ Contarini.«
    »Nicht das Haus der Contarini suche ich, sondern das von Messèr Morosini.«
    »Es gehört zu dem von ihm verwalteten Besitz seines Neffen. Der wiederum ist Erbe der Contarini, die früher dort lebten, weshalb es auch danach benannt ist.« Aus den Sehschlitzender Maske traf mich ein forschender Blick. »Soll ich die Wegbeschreibung wiederholen?«
    »Ich glaube, ich konnte es mir merken.« Sicherheitshalber wiederholte ich es selbst.
    Der Maskierte nickte. »Ihr habt ein gutes Gedächtnis«, stellte er fest.
    Abermals bedankte ich mich, diesmal mit einer Spur von Unbehagen, denn es war mir ein wenig unangenehm, von jemandem, der sein Gesicht verbarg, betrachtet zu werden.
    Einige betrunkene Nachtschwärmer kamen über die Brücke, sie blieben stehen und verwickelten den Maskierten in ein Gespräch.
    Ich ging weiter und hielt mich an die Wegbeschreibung. Vor der letzten Brücke verlosch mein Windlicht. Zum Glück waren es von dort nur noch wenige Schritte. Im Widerschein einer Fackel, die jemand anderer trug, sah ich bereits die erwähnte Kirche aufragen.
    Gerade wollte ich mich wie beschrieben nach links wenden, als ein Mann mich von hinten packte. »Hab ich dich endlich, du widerlicher

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