Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Bengel! Höchste Zeit für die Abrechnung!«
Ich wollte den Angreifer von mir stoßen, doch der hatte bereits begonnen, mich hinterrücks aus Leibeskräften zu würgen. »Dich werde ich lehren, mir das Liebchen auszuspannen!« Er war etwas kleiner als ich, aber nicht viel, und so konnte ich seinen nach Schnaps stinkenden Atem dicht im Nacken spüren.
»Welches Liebchen?«, wollte ich fragen, doch ich brachte wegen des Würgegriffs nur ein Ächzen heraus. Für einen absurden Augenblick glaubte ich, der Kerl könnte Elena meinen, aber das war natürlich Unfug. Wann hätte sie sich in der kurzen Zeit in Venedig einen Liebhaber zulegen sollen? Doch in diese Überlegung mischte sich auf der Stelle Unsicherheit. Was wusste ich denn schon über die Ränke der Frauen? Man musste ja nur Caterina als Beispiel nehmen. Kaum kehrte man ihr für eine Stunde den Rücken zu, wartete sie gleich mit zwei neuen Verehrern auf !
Unterdessen fuhr der Angreifer damit fort, mich zu erwürgen, was mich bewog, nicht länger über mögliche Hintergründe seiner Attacke nachzusinnen, sondern mich meiner Haut zu wehren. Mit beiden Ellbogen keilte ich nach hinten aus und traf auf zufriedenstellend knackenden Widerstand, worauf der Bursche mich losließ und sich stöhnend die geprellten Rippen hielt. Zugleich zückte er jedoch einen Degen, den ich wegen der Dunkelheit zwar nicht richtig sehen konnte, der aber dem tödlich sirrenden Geräusch zufolge lang genug sein musste, um mich vollständig zu durchbohren.
»Ich bring dich um, Contarini!«, zischte der Angreifer.
Ich machte einen Sprung rückwärts. »Ihr verwechselt mich!« Ich war erleichtert, weil alles nur ein dummer Irrtum war. »Ich heiße Ziani! Und ich habe überhaupt kein Liebchen!«
»Stirb, du Halunke!«
Ich tat einen weiteren Satz von ihm weg, und als er nachrückte, warf ich ihm das ohnehin nutzlose Windlicht an den Kopf, was ihm ein Schmerzgeheul entlockte, ihn aber nicht daran hinderte, abermals mit dem Degen nach mir zu stoßen. Ich sah von weiteren Ausweichmanövern ab und versuchte auch nicht länger, mit ihm zu diskutieren, sondern rannte davon, so schnell ich konnte.
Zurück in meiner Kammer, zündete ich eine frische Kerze an und drückte mir mein Lavendelkissen vor die Brust, weil ich das Bedürfnis hatte, mich irgendwo festzuhalten. Vorsichtig rieb ich mir den schmerzenden Kehlkopf, teils froh, dass der Kerl mich nicht verfolgt hatte, teils verärgert, weil ich nicht Manns genug gewesen war, mich ihm zu widersetzen. Hätte ich nur endlich eine ordentliche Waffe statt bloß Aldos schartiges altes Messer, das kaum dazu taugte, sich die Nägel zu reinigen!
Rodolfo, der den Raum neben mir bezogen hatte, hattemich gehört und kam herein. Im Licht der Talgleuchte, die er vor sich hertrug, wirkte er mit seinem bodenlangen hellen Hemd wie ein zu kurz geratener Geist, ein Eindruck, der nur durch die irdisch-ungeschlachten Zehen gestört wurde, die unter dem Saum hervorlugten und mit dichten schwarzen Haaren bewachsen waren. »Warst du noch unterwegs?«, fragte er.
Immer noch aufgewühlt, berichtete ich ihm von dem nächtlichen Angriff. »Der Kerl muss mich demnach mit irgendwem verwechselt haben, der Contarini heißt«, schloss ich.
»Der Name Contarini ist ziemlich verbreitet in Venedig.«
»Ich weiß. Sogar dieses alte Gemäuer hier heißt so.« Ich erzählte ihm von meiner Begegnung mit dem Maskierten.
Rodolfo wirkte besorgt. »Du solltest dich nicht bei Nacht allein herumtreiben, da kann sonst was passieren!«
»Das hat dieser Maskenmann auch gesagt.«
»Womit er eindeutig recht hatte.« Er räusperte sich. »Um frische Luft zu schnappen, weiß ich andere Möglichkeiten. In der Lagune gibt es viele unbewohnte kleine Inseln. Morgen früh fahre ich mit Franceschina zu einer hinaus. Wir wollen jonglieren üben. Mit brennenden Fackeln.«
Ich staunte. »Geht das überhaupt?«
»Wir wollen es herausfinden.« Er musterte mich. »Es wäre eine gute Gelegenheit, sich auch in anderen gefährlichen Disziplinen zu üben. Zum Beispiel im Schießen. Oder im Fechten.«
»Oh!«, sagte ich begeistert. »Soll das heißen, ich kann mitkommen und mit der Arkebuse schießen?«
»Wir brechen im Morgengrauen auf.«
Mit meiner Nachtruhe war es folglich wenige Stunden später wieder vorbei. Geweckt wurde ich von dem Rumoren in der Küche. Franceschina hatte nicht gezögert, sich diesen Bereich des Hauses untertan zu machen. Sie klapperte mit den Töpfen und Tellern, die sie von
Weitere Kostenlose Bücher