Der König Der Komödianten: Historischer Roman
dir passiert ist!«
Also hatte ich es ihr zu verdanken, dass man mich aus der Zelle geholt hatte! Mit überströmender Erleichterung strahlte ich sie an und vermerkte dabei trotz meiner konfusenGefühlslage, wie bezaubernd sie aussah, in ihrem himmelblauen Kleid und dem dazu passenden Schleier, der zurückgeschlagen auf ihrem herrlichen schwarzen Haar ruhte.
Dann erst fiel mein Blick auf Morosini, der hinter einem Schreibpult stand und Schriftstücke ausfertigte. Er nickte mir flüchtig zu und beugte sich dann wieder über die Papiere. »Gleich bin ich so weit. Es soll doch alles seine Richtigkeit haben mit der Freilassung, nicht wahr?« Er tropfte Siegelwachs über ein Dokument und drückte seinen Ring hinein. Anschließend überreichte er das Schriftstück dem Amtsdiener, der wartend hinter mir stand. »Hier, bring das dem Aufsicht führenden Capo.«
Der Amtsdiener zog sich mit einer Verbeugung zurück, während ich mich verstohlen umsah, überrascht von der Enge des Zimmers. Die dunkle Holztäfelung erdrückte den ohnehin schon schmalen Raum, und das Fenster ließ kaum genug Licht herein, um die Aufschriften auf den dicken Folianten, die auf reihum angebrachten Borden gestapelt waren, ausreichend zu erhellen.
Morosini bemerkte meinen Blick. »Für einen Zehnerrat nicht gerade besonders repräsentativ, wie? Aber so ist es in Venedig. Die mächtigsten Männer amtieren in den schlichtesten Räumen. Nur so wird gewährleistet, dass wir uns zum Ruhme der Serenissima einsetzen, nicht zu unserem eigenen.« Er lächelte lakonisch. »Bestimmt ist mein Amtszimmer kaum größer als die Zelle, in der du die Nacht verbracht hast.«
»Der arme Junge!«, warf Caterina ein. Mitgefühl und Sorge standen in ihrem Gesicht.
»Nun, ganz so arm war er nicht«, widersprach Morosini. »Er hatte immerhin den Vorteil, dass man ihn für meinen Neffen hielt. Anderenfalls hätte er auch ordentlich Prügel beziehen können.« Er zuckte die Achseln. »Nicht, dass Giovanni nicht auch schon mit einem blauen Auge aus dem Gefängnis gekommen wäre. Aber das hatte er sich selbst zuzuschreiben, rauflustig, wie er manchmal ist.«
»Die Ähnlichkeit zwischen Marco und deinem Neffen muss ja wirklich unglaublich sein!«, sagte Caterina.
»Das ist sie in der Tat.«
Angestrengt überlegte ich, wie ich möglichst beiläufig meine wichtigsten Fragen anbringen konnte. Etwa, warum Morosini sich nicht schon bei unserer ersten Begegnung zu der Ähnlichkeit geäußert hatte, an jenem Tag, als ich mit Elena, Caterina und Rodolfo wegen der Spielerlaubnis hier gewesen war.
Doch nein, halt! Er hatte die Ähnlichkeit erwähnt, desgleichen, wie bemerkenswert er sie fand. Nur hatte ich das auf Rodolfos und meine Kostümierung bezogen. Also mein Fehler.
Nun gut, dann sollte ich ihn fragen, ob er etwas über den Kindesraub wusste.
Ich räusperte mich. »Messèr Morosini, mit Verlaub …«
»Du musst mir nicht danken, mein Junge.«
»Äh … ja.« Auf die Idee, Morosini meinen Dank zu bezeugen, wäre ich gar nicht gekommen, doch nun fand ich, etwas mehr Konzilianz meinerseits könne nicht schaden. »Trotzdem vielen Dank für Eure Hilfe«, sagte ich höflich. »Dir auch, Caterina.« Ich wandte mich wieder Morosini zu. »Und was ich noch fragen wollte …«
»Selbstverständlich hat der bewaffnete Angriff auf die Wachen keine weiteren Konsequenzen«, meinte Morosini beruhigend. »Es gibt Zeugenaussagen, dass alles ein Missverständnis war.«
»Oh. Gut.« Ich nahm einen erneuten Anlauf, den gewünschten Informationen näher zu kommen, als Caterina angewidert die Nase rümpfte. »Meine Güte, der Junge stinkt aber! Das ist ja grauenhaft! Alessandro, was herrschen denn für Zustände in eurem Gefängnis! Du sagtest doch, es wäre nicht so arg in diesen Giardini!«
»Nun ja, es gibt in der Tat weit schlimmere Kerker, aber man muss zugeben, dass auch die geräumigeren Zellen wenig anheimelnd sind, wenn sie in dem Maße überbelegt sind wiezurzeit. Leider wird das neue Gefängnis wohl in diesem Jahrhundert nicht mehr fertig. Aber danach wird alles besser!«
Mit einigem Unbehagen registrierte ich die Vertraulichkeit zwischen den beiden. Rein geschäftlich klang das alles nicht.
»Hast du denn genug zu essen bekommen?«, fragte Caterina.
»Es gab Kohl.«
»Ich verstehe«, sagte Caterina. »Du siehst erschöpft aus. Hoffentlich hast du wenigstens gut geschlafen.«
»Ich hatte meine Ruhe«, sagte ich wahrheitsgemäß. Zumindest, nachdem ich Nummer zehn mit der
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