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Der König Der Komödianten: Historischer Roman

Titel: Der König Der Komödianten: Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Thomas
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sechs taten dafür nichts weiter als schlafen, auch wenn sie dabei markerschütternd schnarchten. Und Nummer sieben, der zwischen den beiden anderen Insassen zusammengekauert auf der Steinbank hockte, starrte mich an.
    »Du warst doch vor ein paar Wochen erst da«, sagte er.
    »Äh … scheint ganz so«, sagte ich höflich.
    »Diesmal haben sie dir aber keins auf die Nase gegeben.«
    »Nein«, stimmte ich zu, während ich mich mit aufkommender Panik umsah. Wohin sollte ich mich in dieser unwürdigen Klause nur setzen?
    »Fertig«, sagte der Mann auf dem Topf und stand auf. »Will noch jemand, bevor der Kübel abgeholt wird?« Fragend blickte er in meine Richtung. »Du vielleicht?«
    Als ich stumm den Kopf schüttelte, insistierte er: »Musst du scheißen?«
    »Ich war heute schon«, flüsterte ich.
    »Seine Augen sind nicht besonders, Kopfschütteln sieht er nicht«, erklärte mir der Mann auf der Steinbank. »Nur den Kübel, den sieht er immer.«
    Der Nasenbohrer erhob sich und ließ die Hose herab. »Ich könnte noch mal. Ich glaube, der Kohl von gestern war schlecht.«
    »Das stimmt«, sagte Nummer acht, der mir am nächsten hockte und sich stöhnend den Leib hielt. »Bei mir will der Fraß auch wieder raus!«
    »Nimm den Kübel«, empfahl ihm Nummer neun. »Da passt noch was rein.«
    »Zu spät«, meinte Nummer zehn.
    Das traf zu, denn ich konnte nicht mehr rechtzeitig zur Seite springen. Nummer acht übergab sich mit einem Schwall auf meine Füße.

    Alles in allem, so versuchte ich mich nach einer weitgehend schlaflosen, durchfrorenen Nacht und einem Morgenmahl aus steinhartem Zwieback zu trösten, hatte sich der ganze Aufwand doch gelohnt, zumindest ein wenig, denn immerhin wusste ich nun zuverlässig, dass ich Morosinis Neffe war. Genauer, mein Doppelgänger war der Neffe. Was das anging, so hatte ich beschlossen, nicht dessen Zwillingsbruder zu sein, jedenfalls nicht, solange es nicht zweifelsfrei bewiesen war. Wer wollte schon einen Mann zum Bruder haben, der regelmäßig wegen aufrührerischen Verhaltens ins Gefängnis musste?
    Offen blieb auch, wie ich zwecks Aufklärung meiner Vergangenheit nun weiter verfahren würde. Das wollte gut durchdacht sein.
    Doch vorerst mussten alle Pläne hinten anstehen, bis ich wieder frei war.
    Dass diese vergitterten, bis an die Decke mit Häftlingen vollgestopften Löcher Giardini genannt wurden, war der blanke Hohn, doch mittlerweile kannte ich den Grund. Mein Mithäftling Nummer elf – der Einzige von allen, der sich eines leidlich kultivierten Verhaltens befleißigte, da er weder spuckte,furzte, sich lauste noch im Beisein aller onanierte –, hatte mir erklärt, dass es andere Kerkerräume gab, die noch viel schlimmer waren, da sie unter der Erde lagen und das Wasser den armen Insassen oft buchstäblich bis zum Hals stieg. Dort saßen jedoch nur die allerschlimmsten Schwerverbrecher ein, während in den Giardini die weniger gemeingefährlichen Übeltäter brummten.
    Nummer elf, so erfuhr ich, hatte sich des verbotenen Glücksspiels schuldig gemacht. Er demonstrierte es mir mit drei kleinen Holzbechern und einer Kugel. Unter einem der Becher versteckte er die Kugel, und ich musste nach einigem Hin- und Hergeschiebe der Becher raten, unter welchem sie sich befand. Das war leicht, ich sah ja genau, wohin er sie legte, und als er mich ermunterte, ein paar Münzen darauf zu setzen, tat ich es bedenkenlos – und gewann! Begeistert spielte ich weiter, doch dann verlor ich mit einem Mal, obwohl ich davon überzeugt gewesen war, genau hingeschaut zu haben. Aha. Das Prinzip war klar. Er wiegte die Leute in Sicherheit, bis sie glaubten, nur gewinnen zu können, und dann zog er ihnen das Geld aus der Tasche.
    »Wie hast du das gemacht?«, fragte ich neugierig.
    »Reines Glück«, behauptete er. »Deshalb heißt es ja Glücksspiel.«
    »Das Geld gibst du mir aber wieder! Du wolltest mir das Spiel ja nur demonstrieren!«
    Ich hatte den Eindruck, dass er widersprechen wollte, doch dann hörten wir die hallenden Geräusche beschlagener Stiefel näher kommen, und als eine herrische Stimme sich nach dem Aufenthaltsort eines gewissen Giovanni Contarini erkundigte, gehörten die Münzen wieder mir.
    Hoffnungsvoll erhob ich mich von dem eisigen Steinboden. Vielleicht holte man mich schon heraus!
    Eilig streckte ich den Arm durch das Gitter. »Hier bin ich!«
    Ein Wärter blieb vor der Zelle stehen und drückte mir ein dickes Buch in die Hand.
    »Da. Das hat dir dein Liebchen gebracht.

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