Der König Der Komödianten: Historischer Roman
wie ich. Vom Schminken versteht er wirklich was.«
Bernardo erklärte es mir genauer. Bei einem gemeinsamen Erscheinen der Doppelgänger zeigte derjenige, der gleichsam nur als Spiegel des eigentlichen Darstellers auftrat, dem Publikum während des Dialogs den Rücken, bestenfalls das Profil.
»Höchstens ein einziges Mal lässt er sich von vorn sehen, aber nur ganz kurz, und in diesem Moment muss der andere mit verrückten Lazzi so stark die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf sich ziehen, dass sie sein Alter Ego nicht allzu gründlich betrachten.«
Bernardo kannte noch weitere Kniffe. So könnten etwa die Doppelgänger – eingefügt in die Handlung – zufällig nacheinander denselben Schneider aufsuchen.
»Derjenige, der als Zweiter kommt, schwört dem Schneider natürlich Stein und Bein, noch kein Gewand bestellt zu haben. Also näht der verwirrte Schneider doppelt, und so bekommen beide exakt das gleiche Wams. Je auffälliger, desto besser. Die Leute schauen dem Schauspieler oftmals eher auf das bunte Wams als ins Gesicht. Erst recht, wenn es zwei gleiche davon gibt.«
Ich bedankte mich für seine hilfreichen Erklärungen und blieb noch eine ganze Weile in stummer Eintracht mit ihm auf der Altana sitzen, über uns der sattblaue Maihimmel und unter uns der vorbeiströmende Kanal. Es roch ein bisschen streng aus der Nachbarschaft herüber, als hätte jemand Essen anbrennen lassen, doch der Wind wehte den Gestank rasch fort. Vögel zwitscherten von den ringsum liegenden Dächern, und eine angenehme Brise strich mir übers Gesicht.
Fast konnte man vergessen, dass im Andron eineeingewickelte Leiche lag und dass der Prior, der Notar und der Fremde sicher bald anrückten, um meiner habhaft zu werden. Vielleicht hatte sogar Aldo sich bereits einen neuen Dolch besorgt, fest entschlossen, ihn bei unserem nächsten Zusammentreffen nicht mehr fallen zu lassen.
Ich gab mir Mühe, an etwas anderes zu denken, doch das gelang erst, als von der Gasse her Gezeter zu hören war. Ich ging zur anderen Seite der Altana und blickte nach unten, wo ich Baldassarre, Cipriano und den Juden Isacco stehen sah. Es war nicht genau zu hören, worüber sie redeten, doch keinesfalls wurden sie handelseinig, denn nach kurzem Palaver zog der Jude sichtlich verärgert von dannen – ohne die Öfen.
Eilig lief ich nach unten in den Innenhof und erfuhr dort von Cipriano, dass der Jude seine Anzahlung herausverlangt hatte, selbstredend vergeblich, weil das Geld anderweitig investiert war. Die bereitstehenden Öfen hatte er nicht mehr haben wollen, da er einen anderen Händler ausfindig gemacht habe, der ihm die Öfen um die Hälfte billiger verkaufe.
Ich ahnte, dass es sich dabei um den Kaufmann Celsi handelte, und Cipriano stimmte mir bedrückt zu. »Der Jude will möglicherweise sogar Klage führen. Er ist der Meinung, dass das Geschäft hinfällig sei, weil Baldassarre den ursprünglich vereinbarten Liefertermin nicht einhielt.«
»Aber die Öfen sind doch jetzt da!«, sagte ich empört.
Cipriano zuckte die Achseln. »Das sagten wir dem Juden auch, doch er weigerte sich, sie abzunehmen, geschweige denn, die zweite Hälfte des Kaufpreises zu zahlen.«
»Was machen wir denn jetzt?«, fragte ich besorgt. »Baldassarre hat doch die Anzahlung schon ausgegeben!«
»Und in drei Tagen will Celsi sein Geld«, ergänzte Cipriano.
»Es sei denn, wir geben ihm die Öfen zurück«, meinte ich. »Vielleicht nimmt er sie ja alle vier wieder.« Dann schüttelte ich den Kopf. »Nein, das wäre dumm, denn der Jude will immernoch seine Anzahlung zurückhaben. Und die Öfen wären dann gänzlich weg.«
»Zu dieser Erkenntnis bin ich auch schon gelangt«, meinte Cipriano lakonisch. »Am besten wäre wohl die Variante, dem Juden alle vier Öfen zum Preis von zweien zu geben und mit der zweiten Rate Celsi zu bezahlen.«
»Genau!«, stimmte ich zu. »Dann hätte der Jude ein hervorragendes Geschäft gemacht, Celsi das von ihm erwartete, und Baldassarre würde so stehen, als hätte er die beiden nie getroffen. Was nach Lage der Dinge wirklich das Beste für ihn und uns alle ist.«
»Für diese Lösung hätte ich auch plädiert, wenn nicht inzwischen eine Änderung der Umstände eingetreten wäre.« Cipriano lächelte verbittert. »Baldassarre hat einen der Öfen verkauft, aber leider nicht für Geld, sondern für einen Anteil an einer Schiffsfracht.«
»Was für eine Schiffsfracht?«, fragte ich, Böses ahnend.
»Eine fiktive«, sagte Cipriano. »Eine,
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