Der König Der Komödianten: Historischer Roman
für die das Schiff zunächst leer nach Indien fahren muss, wo dann der Sopracomito 35 besagte Fracht beschaffen und einladen soll und dann irgendwann, falls er und die Besatzung etwaige Unwetter, Piratenüberfälle, Pestausbrüche und Meutereien überleben, nach Venedig zurückbringt.« Cipriano machte eine bedeutungsvolle Pause. »Wobei noch nicht einmal klar ist, was es für eine Fracht sein wird. Es können ebenso gut Gewürze sein wie Seide oder Elfenbein. Oder Edelsteine. Oder Sklaven. Was immer gerade günstig zu haben ist. Oder überhaupt nichts, wenn das Schiff im Sturm untergeht, was in diesen fernen Gefilden ziemlich oft vorkommen soll.«
Ich war erschüttert. »Warum, um alles in der Welt, hat Baldassarre diesen leichtfertigen Handel geschlossen? Und vor allem – wann?«
»Das Warum ist leicht beantwortet – angeblich ist der zu erwartende Gewinn so märchenhaft, dass er jeden Einsatz rechtfertige. Falls die Fracht je in Venedig gelöscht werden sollte, wäre Baldassarre nach seiner Lesart und der des Sopracomito auf einen Schlag so reich wie Midas. Und das Wann …« Cipriano zuckte resigniert die Achseln. »Es muss gestern gewesen sein. Oder sogar bereits früher, noch bevor er selbst die Öfen erhalten hatte, wer weiß das schon. Jedenfalls war besagter Sopracomito hier, kurz bevor der Jude kam, und hat im Austausch gegen die Schiffspapiere einen der Öfen abgeholt.«
Ich dachte nach. »Wir könnten dem Juden auch drei Öfen für das Geld anbieten, das ursprünglich für zwei ausgemacht war. Und ihm den ganzen Alchimistenkram als günstige Dreingabe bieten, denn den benötigt er ja sowieso.«
Cipriano grinste bewundernd. »Alle Achtung, das fiel dir schnell ein! Ich selbst brauchte eine ganze Weile, um darauf zu kommen.«
»Dann machen wir es doch so«, schlug ich vor.
Cipriano seufzte. »Das hätte ich schon getan. Aber in der Zwischenzeit hat Baldassarre einen der Öfen in Betrieb genommen. Er hat die Ingredienzien hineingestopft und angezündet. Es stinkt wie die Hölle.«
Das also hatte ich vorhin auf dem Dach gerochen!
»Der Athanor sieht jetzt schon aus, als hätte man den Dreck aus der ganzen Stadt zusammengefegt und darin verbrannt«, fuhr Cipriano fort. »In dem Zustand wird ihn uns keiner mehr abnehmen, jedenfalls nicht, solange darin keine gewinnbringende Substanz hergestellt werden konnte. Es würde sofort heißen, dass wir untauglichen Schrott verhökern wollen.« Er lachte freudlos. »Was bei Licht betrachtet die reine Wahrheit ist, da gibt es kein Vertun.«
»Wir müssen uns also was anderes überlegen«, resümierte ich.
»Du sagst es.« Sein Seufzen klang, als müsse er die Last derganzen Welt auf den Schultern tragen. »Dein Freund, der Mönch, sollte auf Baldassarre aufpassen. Dummerweise habe ich ihn lediglich instruiert, ihn nicht ohne meine Zustimmung aus dem Haus zu lassen. Als Baldassarre in den Wassersaal ging, blieb er streng genommen im Haus, deshalb erfuhr ich nichts davon.«
»Ich verstehe. Deswegen konnte Baldassarre dort auch den Sopracomito empfangen und ihm den Ofen übergeben. Und den zweiten Ofen selbst in Gebrauch nehmen.«
»Wenn es ja nur das wäre«, sagte Cipriano mit Grabesstimme. »Iseppo hat Baldassarre beim Aufstellen und Befeuern des Ofens geholfen und ihm auch auf dessen Geheiß die unterschiedlichen alchimistischen Zutaten zusammengesucht. Bei dieser Gelegenheit trug der Alte Iseppo auf, doch einmal nachzusehen, was dort in Wachstuch eingeschlagen in der Ecke herumlag.«
»Lieber Himmel!«, sagte ich. »Was geschah dann?«
»Baldassarre rief mich hinzu. Er trug es mit Fassung, hat sogar aus dem Stand ein passendes Requiem für Rizzo gedichtet, in erstklassigen Pentametern. Iseppo war allerdings in Ohnmacht gefallen, und nachdem ich ihn mit ein paar Ohrfeigen wieder aufgeweckt hatte, erlitt er einen Nervenzusammenbruch und forderte mich auf, im ganzen Haus nachzusehen, ob irgendwo der Fremde lauere.« Fragend blickte Cipriano mich an. »Was meinte er damit?«
Damit war es an der Zeit, auch Cipriano in die ganzen verqueren Merkwürdigkeiten einzuweihen, die mich von unserem Landgut ins Kloster und von dort nach Padua und später nach Venedig geführt hatten.
Er hörte es sich mit verschränkten Armen an und nickte langsam. »Das erklärt manches«, meinte er. »Danke für dein Vertrauen, ich werde es nicht enttäuschen. Ein Augenpaar mehr, das auf dich achtgibt, ist dir gewiss.« Neugierig blickte er mich an. »Wer weiß noch
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