Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Dispens! Beim Theater liegt meine wahre Bestimmung! Auf den Brettern, die die Welt bedeuten!«
»Ich werde es deiner Mutter erzählen!«
»Tut es nur!«, schrie Iseppo trotzig, zog sich jedoch vorsorglich fluchtartig wieder ins Haus zurück.
»Dürfte ich diesen amtlichen Erlass einmal sehen?«, erkundigte sich Morosini. »Nichts für ungut, aber in meiner Stellung traf ich schon viele Leute, die sich behördlich beglaubigter Befugnisse rühmten und sie in Wahrheit gar nicht besaßen.«
Der Prior nestelte ein gesiegeltes Dokument aus den Tiefen seiner Kutte und wedelte Morosini damit vor der Nase herum. Der riss es ihm aus der Hand und überflog es.
»Ah, ich sehe. Hm, hm.« Er wandte sich an mich. »Und du erkennst dieses Dokument nicht an?«
Ich glotzte einige verblüffte Augenblicke lang auf das Siegel und entrang mir dann ein hastiges Nein .
»Nun gut«, meinte Morosini, während er das Papiereinsteckte. »Ich werde die Gültigkeit überprüfen.« Gebieterisch stach er mit dem Zeigefinger in die Richtung des Priors. »Kommt dieser Tage in den Dogenpalast und fragt nach dem Zehnerrat Morosini.«
»Aber …«, hob Bruder Hieronimo verdattert an.
»Für heute seid Ihr hier fertig«, erklärte Morosini. Er deutete auf die Pforte. »Verlasst nun dieses Anwesen.«
Herrisch aufgerichtet stand er da, als warte er nur darauf, etwaigen Widerspruch im Keim zu ersticken, und auch Rodolfo hatte immer noch den Säbel erhoben und dabei einen Ausdruck im Gesicht, der nichts Gutes verhieß. Die Schergen waren bereits auf die Gasse hinausgetreten, und so blieb dem Prior keine andere Wahl, als ihnen zu folgen.
»Marco, Junge!«, beschwor er mich durch die offene Pforte. »Ich will doch nur dein Bestes!«
Heftig den Kopf schüttelnd, wich ich zurück, die Arme vor der Brust verschränkt, als könnte ich damit das Zittern dämpfen, das mich beim Anblick des amtlichen Schreibens überkommen hatte.
»Dein guter Onkel Vittore hat sich gewünscht, dass ich mich um dich kümmere!«, rief der Prior.
Unwillkürlich schüttelte ich den Kopf. Onkel Vittore hatte mich geliebt. Nie hätte er gewollt, dass jemand mir um meines Erbes willen – der Teufel allein wusste, woraus es bestand und wie viel es wert war – nach dem Leben trachtete. Mochte Onkel Vittore auch irgendwann in der Vergangenheit aus alter Freundschaft oder sonstigen Gründen diesem fetten Klostervorsteher vertraut haben – das war längst überholt, denn inzwischen war erwiesen, dass dem Prior nur an einem gelegen war: einem rundum sanierten Kloster. Mit einer neuen Orgel, die viel Geld kostete.
Rodolfo setzte der Unterhaltung ein Ende, indem er vortrat und Bruder Hieronimo die Pforte vor der Nase zuknallte.
»Ich komme wieder!«, schrie es von draußen.
Ich hielt die Luft an und lauschte, bis die Schritte auf der Gasse verklungen waren.
»Dieser Prior hatte etwas Penetrantes an sich«, meinte Morosini.
Erleichtert stieß ich den Atem aus. »Vielen Dank, Messèr Morosini. Ihr habt mir sehr geholfen.«
»Was wollte der Mann von dir?«
»Das ist eine lange …«
»Marco, wir haben keine Zeit mehr«, fiel mir Rodolfo ins Wort. »Die Vorstellung hat schon angefangen!«
Morosini zeigte Verständnis. »Das Theater geht vor!« Er winkte ab, als ich zu einer Entschuldigung ansetzen wollte. »An die Arbeit, meine Herren.«
Er rückte seine Maske zurecht und folgte uns federnden Schrittes nach oben.
Iseppo erwartete mich oben am Ende der Treppe und blickte mir völlig aufgelöst entgegen. »Das ging gerade noch mal gut«, sagte er mit schwankender Stimme. »Was sollen wir jetzt tun? Müssen wir davonlaufen?«
»Wir reden später darüber.«
Die Feuerjonglage mit fünf Fackeln war ein fulminanter Erfolg, der donnernde Applaus war in vollem Gange, als ich meinen Posten bei der Säule einnahm. Franceschina verneigte sich wie eine Königin und überreichte Rodolfo die brennenden Fackeln, der sie in einem Kübel mit Wasser löschte. Sie wirkte wütend, und als ich die Ohren spitzte, hörte ich, wie sie Rodolfo im Flüsterton tadelte, weil er zu Beginn des artistischen Teils der Vorführung gefehlt hatte, obwohl ausgemacht war, dass er das Anzünden der Fackeln übernahm. Sichtlich bedrückt ließ er ihre Vorwürfe über sich ergehen. Es drängte mich, ihr zu erklären, dass er meinetwegen zu spät gekommen war, doch das musste warten, denn schon war Baldassarrevorgetreten, um den Anfang des Mythenstücks anzukündigen. An der Stelle war mein Einsatz gefragt, weil
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