Der König Der Komödianten: Historischer Roman
ich die Winde bedienen musste, damit Göttervater Zeus in der ersten Szene ohne Quietschgeräusche und Rucken vom Olymp niederfahren konnte. Bevor er sich auf das Brett setzte, das ich mithilfe der Winde hochzuziehen hatte, ließ er einen letzten klangvollen Vers hören.
»Hier haben wir uns alle eingefunden
Euch zu erfreu’n mit Spiel, Gesang und Tanz
Zu schenken euch ein paar vergnügte Stunden
Euch zu erquicken mit der Mythen Glanz.
So lasst betören euch vom Duft der Nymphen
Habt teil an schicksalhafter Götterwelt!
Erlebt, wie hier, mit intriganten Trümpfen
Den Menschen Glück und Liebe wird vergällt!«
»Unfassbar«, sagte ein Zuschauer. »Das war wieder ganz anders als beim letzten Mal! Und trotzdem reimt es sich perfekt!«
»Der Alte ist ein Phänomen«, bestätigte sein Nebenmann. »Ich schwöre, mein Vater ist mindestens zehn Jahre jünger, aber er vergisst sogar oft, welchen Tag wir gerade haben. Dieser Greis da verdient alle Hochachtung!«
»Das mit dem Duft der Nymphen darf man allerdings nicht wörtlich nehmen«, mischte ein Dritter sich ein. »Es sei denn, die Nymphen kämen direkt aus einer Schwefelquelle.«
»Es stinkt widerlich in diesem Theater«, stimmte der mit dem vergesslichen Vater zu. »Aber die Nymphe, die in diesem Stück die Hauptrolle spielt, ist wirklich eine Augenweide.«
Unterdessen zog ich, verborgen hinter dem von der Decke hängenden Tuch, Baldassarre auf dem Brett in die Höhe und schlang das Ende des Stricks um den Haken, an dem auch das Seil für Elenas Balanceakt befestigt war.
Sie selbst war genau in dem Augenblick, als ich meinenPosten bezogen hatte, vom Seil gesprungen und im Requisitenraum verschwunden. Nicht einmal den Applaus hatte sie abgewartet. Es kam mir vor, als wolle sie mich mit ihrem abrupten Abgang bestrafen. Was bei Licht betrachtet schlichtweg die Höhe war, denn was konnte ich dafür, dass Adelina so stark parfümiert war? Und war es etwa meine Schuld, dass sie mein Gesicht gegen ihren Busen gedrückt hatte?
In mir brodelte es. Dass es mir gerade noch im Innenhof vor Furcht die Luft abgeschnürt hatte, war vergessen. Am liebsten hätte ich Elena gepackt und Vernunft in sie hineingeschüttelt.
Ich nahm kaum wahr, wie die leicht bekleidete Nymphe sich auf dem Felsen bei der sprudelnden Quelle räkelte (wie Caterina sich in dünnem weißem Musselin auf die mit grauem Tuch bedeckte Kiste setzte, neben der ein wellig drapiertes blaues Tuch das Wasser symbolisierte), ein Anblick, der mich sonst immer zuverlässig von allen möglichen anderen Gedanken ablenkte. Auch fiel mir nur am Rande auf, dass Bernardo an der üblichen Stelle patzte, fast so, als sei es ein ehernes Gesetz, dass er sich immer beim selben Satz versprach.
»Achtung, Seilwinde!«, zischte es von der Seite. Henry stand dort im Durchgang zur Innentreppe und waltete seines Amtes als Einsatzgeber. Gestikulierend wies er mich darauf hin, dass gleich Göttervater Zeus seinen Auftritt hatte. Hastig verbannte ich alle Gedanken an Elena und machte mich daran, Baldassarre herabschweben zu lassen.
Trotz aller Mühen um ein ansatzloses Gleiten knarrte und ruckte die unberechenbare Winde, und Baldassarre rutschte wenig elegant von dem Brett, während im Hintergrund Iseppo die Trommel schlug, für den Donnerhall, mit dem Zeus vom Olymp auf die Erde niederfuhr.
Scheinbar geblendet von so viel Herrlichkeit schirmte Caterina mit der Hand ihre Augen ab. »O helft, ihr guten Götter dieses Waldes! Wer kommt vom Himmel dort herabgestiegen?«
»O holde Nymphe, kannst du es nicht sehen?«, fragte Baldassarre. »Kein and’rer ist’s als Göttervater Zeus!« Seine Stimme klang eigentümlich verwaschen, ganz anders als vorhin. Als er vortrat, strauchelte er leicht und streckte die Hand aus, um sich an der Säule abzustützen. Sofort war ich bei ihm, aber er hatte sich bereits wieder gefangen und sprach weiter. Als ich jedoch genauer hinsah, erkannte ich, dass seine Miene leicht verzerrt war, als litte er Schmerzen, die er sich nicht anmerken lassen dürfe. Einen Vers entrang er sich noch, ohne dass die Zuschauer etwas bemerkten, dann ging er mit unsicheren Schritten in Richtung Portikus ab. Ich folgte ihm auf dem Fuße. Von Henry gestützt, stand er an die Wand des Bogendurchgangs gelehnt und rang nach Luft. Im Licht der Lampe, die am Aufgang der Treppe brannte, war zu sehen, dass seine Lippen einen bläulichen Farbton angenommen hatten.
Furcht stieg in mir auf, denn der Anblick erinnerte mich an
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