Der König Der Komödianten: Historischer Roman
setzte er hinzu: »Obwohl es das Ganze vereinfachen würde. Man sagt mir nach, dass ich mich auf einige Finessen ganz besonders gut verstehe. Aber auch das Süßholzraspeln fällt mir leicht, wenn es nottut.«
Fieberhaft dachte ich nach. Es war nicht von der Hand zu weisen, dass er mir einiges an Erfahrung voraushatte. Sogar die Bettler in den Gassen wussten, dass Giovanni ein Frauenheld war. Scharen von willfährigen Weibern pflasterten seinen Weg. Er wusste, wie er mit ihnen umzugehen hatte. Adelina geriet jedes Mal in Verzückung, sobald er – hilfsweise ich, den sie für ihn hielt – auftauchte. Wenn jemand mir bei Elena weiterhelfen konnte, dann er!
»Gut«, sagte ich. »Aber ohne Anfassen.«
Da er am nächsten Tag abreisen würde und nicht abzusehen war, wann er zurückkam, beschlossen wir, es nicht auf die lange Bank zu schieben.
Gemeinsam schlichen wir ins Haus, wo Giovanni sich bis auf das Hemd entkleidete und mir dann in den ersten Stock folgte. Die Tür zum Requisitenraum war auch diesmal nur angelehnt, und ich zeigte Giovanni den Weg durch das Sammelsurium an Kostümen und anderem Bühnenkram bis zur spanischen Wand. Dort war er dann auf sich gestellt. Ich hatte ihm die Kerze überlassen und versteckte mich hinter einem Tisch mit diversen Masken und Perücken.
»Liebes«, hörte ich Giovanni leise säuseln. »Ich bin nochmals gekommen, um mit dir über die Ehe zu sprechen.«
»Marco?«, kam es verschlafen von Elena.
»Wer sonst?« Durch die Fransen einer vom Tisch herabhängenden Perücke sah ich einen Teil seiner Füße, offenbar hatte er sich vor dem Bett niedergekniet. Sehr effektvoll, das musste man ihm lassen!
»Warum willst du mich nicht heiraten?«, fragte Giovanni zärtlich. »Weißt du denn nicht, dass wir füreinander bestimmt sind? Nenne mir die Gründe, die dagegen sprechen, dass du mich zum Mann nimmst!«
»Wie du willst.« Am knarrenden Geräusch der Bettstatt hörte ich, dass Elena sich aufsetzte. »Du bist ein oberflächlicher, nichtsnutziger Tagedieb. Du hast einen übermäßigen Hang zu einer gewissen Bademamsell und ihren beiden hervorstechendsten Wesenszügen. Kurz, du bist kein Mann, mit dem ich für den Rest meines Lebens zusammen sein möchte. Und jetzt verschwinde und lass mir meinen wohlverdienten Schlaf.«
»Aber Elena, Liebste, mein einziges, herrliches Juwel …«
»Raus«, sagte sie kategorisch. »Oder ich werde ernstlich wütend.«
Giovanni kam stolpernd wieder zum Vorschein und verschwand mit der Kerze aus der Kammer. Ich wartete einigeängstliche Atemzüge lang, bevor ich es wagte, ihm leise wie eine Maus zu folgen. Und wie eine Maus fühlte ich mich auch, winzig, grau und unwichtig. Mein ganzes Selbst kam mir geschrumpft vor, bis zur völligen Bedeutungslosigkeit. Elena wollte mich nicht! An Giovanni lag es nicht, er hatte seine Sache gut gemacht, daran gab es nichts zu deuten. Es war allein meine Schuld. Ich taugte nicht dazu, zum Gatten erkoren zu werden.
Auf bloßen Füßen tappten Giovanni und ich wieder nach unten.
Er war sichtlich beleidigt. »Ich verstehe nicht, wieso du ausgerechnet das sprödeste Mädchen von ganz Venedig heiraten musst«, flüsterte er im Innenhof, wo er Beinkleider und Stiefel wieder anzog. »Vergiss sie einfach. Such dir eine, die dich will. Oder besser: Lass es ganz. Wozu eine Einzige heiraten, wenn du viele haben kannst? Sie werden schon bald bei dir Schlange stehen, wenn du erst das Geld dein Eigen nennst!«
Das war ein Aspekt, den ich noch nicht bedacht hatte. Vielleicht sollte ich Elena von dem immensen Vermögen erzählen, das meiner harrte? Womöglich würde sie das umstimmen! Doch dann wurde mir die Zweischneidigkeit dieser Option bewusst. Wollte ich in Kauf nehmen, dass sie mich nur des Geldes wegen erhörte?
Ratlos starrte ich zum schwarzen Himmel hinauf, nur mit halbem Ohr wahrnehmend, wie Giovanni sich verabschiedete.
»Auf bald, mein Bruder«, sagte er leise.
»Auf bald«, gab ich geistesabwesend zurück.
Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Pass gut auf dich auf.«
Das riss mich aus meinen Gedanken. »Du auch«, erwiderte ich. »Und komm gesund wieder.«
Er nickte und verschwand durch die Pforte, ein langer Schatten in der Dunkelheit. Eine Weile blieb ich noch lauschend stehen, bevor ich zurück in meine Kammer ging.
In dieser Nacht fand ich keinen Schlaf mehr.
Es war, als hätten sich nach diesem Fehlschlag alle Schicksalsmächte gegen die Bewohner des Hauses verschworen. Schon am frühen Morgen
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