Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Schmuck – alles kam von der Insel der Glasmacher, denen bei Todesstrafe verboten war, die Lagune zu verlassen, weil diese einzigartige Kunst allein Ruhm und Reichtum der Serenissima mehren sollte.
Kreuz und quer wanderte ich herum und sah mir alles an, doch da die Insel, obwohl sie aus mehreren, durch Brücken verbundenen Teilen bestand, recht klein war, hatte ich sie rasch erkundet, sodass es mit der Ablenkung bald vorbei war.
Am späten Nachmittag nahm mich ein anderer Fährmann wieder mit zurück. Mir war jedoch nicht danach, bereits wieder zur Ca’ Contarini zurückzukehren. Stattdessen wanderte ich ziellos durch Cannaregio und Castello, bis zur Riva degli Schiavoni, wo ich mich inmitten des Hafenbetriebs durch das Menschengewimmel treiben ließ und die großen Schiffe betrachtete. Als ich hungrig wurde, kaufte ich mir an einer Garküche ein gebratenes Hühnerbein und zum Nachtisch bei einem Bäcker einen Zuckerkringel.
Bei meiner Rückkehr kam Rodolfo mir ergrimmt entgegen. »Wo warst du den ganzen Tag?«, herrschte er mich an.
»Frische Luft schnappen. Und einen Happen essen.«
»Das nächste Mal gibst du mir vorher Bescheid«, befahl er.
»Wie du meinst.« Ich gab mir Mühe, es folgsam klingen zu lassen. Nachdem er am Morgen solche Schmach erlebt hatte, wollte ich sein Gemüt nicht durch Widerrede belasten.
Das einzig wirklich Erfreuliche an diesem Tag bestand darin, dass ich nach einer nahezu schlaflosen Nacht und vielen Stunden an der frischen Luft so müde war, dass ich im Stehen hätte einschlafen können. Folglich ging ich zeitig zu Bett. Schlaf, so meine tröstliche Überlegung, würde mich zuverlässig von allen Sorgen befreien, zumindest bis zum nächsten Morgen.
Wie sehr ich mich täuschte, sollte ich bald erfahren.
Später wusste ich nicht zu sagen, ob ein Geräusch mich geweckt hatte. Jedenfalls waren keine Stimmen zu hören, und auch kein Pochen am Fensterladen. Vielleicht war es einfach nur das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Jedenfalls war ich schlagartig hellwach, ohne zu wissen, warum. Im Zimmer war es stockfinster, ein Luftzug musste die Stundenkerze ausgeblasen haben.
Abgesehen von Iseppos gewohntem Schnarchen herrschte Stille um mich herum, doch der Eindruck gegenwärtiger Gefahr war noch stärker als im Moment des Erwachens. Ohne zu überlegen, stand ich auf und trat leise auf den Gang hinaus, wo ich die Ohren spitzte, aber immer noch nichts hörte. Zögernd ging ich zur Treppe, mit den Händen den Weg ertastend. Warum brannte kein Nachtlicht? Normalerweise standen immer zwei im Mezzà, eines im Gang und eines bei der Treppe.
Immerhin Letztere fand ich auch ohne Beleuchtung, inzwischen kannte ich mich blind im Haus aus. Stufe um Stufe tastete ich mich nach oben – und wäre um ein Haar vor Schreck gefallen, als mein Fuß unversehens auf Widerstand traf. Ein Körper lag auf den Stufen, und während ich die Händeausstreckte, um zu ergründen, um wen es sich handelte, vollführte mein Herz einen Trommelwirbel vor Angst, es könne Elena sein. Doch nicht sie war es, sondern Rodolfo. War er gestürzt? Meine Finger fanden die nasse Stelle inmitten seiner dichten Locken, offensichtlich hatte er sich den Kopf aufgeschlagen. Vorsichtig drehte ich ihn auf den Rücken. Mit fliegenden Fingern tastete ich über seine Schultern, seinen Leib – und hielt entsetzt inne. Sein ganzer Bauch war in Blut gebadet! Nun stieg mir auch der kupfrig beißende Geruch in die Nase, der tagelang im Andron gehangen hatte, nachdem Rizzo dort sein Leben ausgehaucht hatte.
»Rodolfo!«, sagte ich, voller Panik, er könne tot sein.
Ein schwaches Stöhnen zeigte, dass er noch lebte, aber er musste schwer verletzt sein.
»Ich hole Licht!«, stieß ich hervor. »Warte hier!«
Kaum hatte ich das gesagt, begriff ich, wie absurd es war, denn er würde ganz sicher nirgendwohin gehen, bis ich wiederkäme. So schnell es in der Finsternis eben möglich war, lief ich die Treppe hinauf, in der Hoffnung, dass im Portego ein Nachtlicht brennen möge. Aber auch dort war es stockfinster. Da wurde mir klar, dass jemand mit Bedacht die Lichter gelöscht haben musste.
»Hilfe!«, brüllte ich, so laut ich konnte. »Zu Hilfe! Bernardo! Cipriano!«
In den angrenzenden Kammern war Gepolter zu hören. Als Erste kam Elena in den Portego gestürzt, eine flackernde Nachtleuchte in der Hand.
»Marco!«, schrie sie. »Um Gottes willen, was ist mit dir geschehen!«
»Mit mir nichts«, sagte ich so ruhig wie möglich. »Geh auf
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