Der König Der Komödianten: Historischer Roman
drang nachts hier ein und hätte um ein Haar Marco umgebracht. Rodolfo musste ihn töten, so wie ich jetzt Razzi.«
»Das wusste ich nicht!«, rief sie erschüttert.
»Verdammt, ich auch nicht«, sagte Bernardo perplex. »Warum sagt mir das keiner? Ich hätte Rodolfo doch geholfen!«
»Du kannst ihm jetzt helfen«, sagte ich, schon auf dem Weg nach unten.
Während Cipriano alle Hände voll zu tun hatte, einen hysterischen Iseppo zu beruhigen und Elena sowie Baldassarre von den Geschehnissen zu informieren, trugen Bernardo und ich Rodolfo auf das kurzerhand beim Nachbarn requirierte Boot und beförderten ihn damit zum nächstgelegenen Spital.
Auf dem Boot kam Rodolfo zu sich. Er hatte viel Blut verloren und litt starke Schmerzen, doch er war bei klarem Verstand und konnte uns berichten, was geschehen war. Jemand war durch das Wassertor ins Haus gekommen, und Rodolfo war davon aufgewacht. Auf dem Weg zum Andron sah er Caterina auf der Innentreppe stehen und nahm an, sie sei von einem ihrer nächtlichen Streifzüge zurückgekehrt. Er ging zu ihr hinauf, um sie zur Rede zu stellen, weil er der Ansicht war,dass schon der letzte Zwischenfall das Fass zum Überlaufen gebracht habe.
Auf der Treppe vernahm er ein Geräusch hinter sich und drehte sich um. Unterbrochen von vielfachem Stöhnen erzählte Rodolfo, wie Razzi ihn ohne Vorwarnung mit dem Degen aufgespießt und dann Caterina mit dem Dolch bedroht hatte, damit sie nicht schrie.
»Du meinst, er hat sie überfallen, und sie waren gar nicht verabredet?«, fragte Bernardo erstaunt.
Ich hörte auf zu rudern, um Rodolfos Antwort besser verstehen zu können.
»Doch, sie waren verabredet«, sagte Rodolfo ächzend. »Sie war vollständig angezogen und wartete dort auf ihn, so viel ist sicher. Aber nicht für einen Ausflug, denn dazu hätte er nicht ins Haus kommen müssen.«
»Vielleicht wollten sie es mal in meiner Nähe tun«, sagte Bernardo düster. »Wand an Wand. Um mich ordentlich zum Hahnrei zu machen.«
»Nein«, platzte ich heraus. »Sie wollten in den zweiten Stock!«
»Warum?«, fragte Bernardo irritiert. »Um es dort zu tun?«
»Nein. Caterina wollte sich bestimmt wieder die Preziosen zeigen lassen.«
»Was für Preziosen? Ich hatte vorhin nicht richtig hingeschaut, als ich drinnen war, wer will es mir verdenken. Aber ich dachte die ganze Zeit, da lagern nur irgendwelche alten Waren!«
»Es sind auch alte Sachen dabei«, sagte ich. »Aber alles, was dort aufbewahrt wird, ist von hohem Wert. Der ganze Saal ist vollgestopft mit Luxusgegenständen.«
Mir war bewusst, dass ich damit Giovannis Bitte um Geheimhaltung zuwiderhandelte, doch angesichts des jüngsten Blutvergießens im Hause Contarini ließ sich einiges nicht länger verschweigen.
Rodolfo schwankte am Rande der Bewusstlosigkeit, doch er schaffte es, auch noch den Rest zu berichten. »Der Kerl war verrückt. Er erklärte Caterina mit säuselnder Stimme, sie habe doch die Schätze unbedingt noch einmal sehen wollen, nun solle sie ihren Willen haben. Und ihn dafür hinterher küssen, aber richtig, denn sonst könne es geschehen, dass ihm das Messer ausrutscht.« Seine Stimme verebbte, er fiel schlaff zurück.
Besorgt beugte Bernardo sich über ihn und lauschte seinem Atem. »Er ist wieder ohnmächtig geworden.« Von dem Zorn, den er vor nicht allzu langer Zeit gegen Rodolfo gehegt hatte, war nichts mehr zu spüren.
Im Spital wurden wir von einem übernächtigten Pfleger in Empfang genommen, der seine Lethargie umgehend ablegte, als Bernardo ihm mit drohend erhobener Faust befahl, dem Patienten nur die beste Pflege angedeihen zu lassen. Der rasch herbeigerufene Arzt stellte nach einer ersten Diagnose fest, dass Rodolfo möglicherweise nicht sofort sterben würde, sondern erst in zwei oder drei Tagen, und falls er dann immer noch lebte, könne er unter Umständen sogar noch viele Jahre auf Erden weilen. Wir sollten beten und das Beste hoffen.
Cipriano hatte mir Geld für die Behandlung mitgegeben. Ich drückte es dem Arzt in die Hand und hoffte, dass es ihn zu heilenden Höhenflügen anspornte. Es handelte sich um dasselbe schmächtige alte Männlein, das Baldassarre betreut hatte, weshalb wir seinen Rat achteten. Was blieb uns auch übrig?
»Was hatte es eigentlich mit dem Zitat aus dem Mythenstück auf sich?«, fragte ich Bernardo während der Rückfahrt. »Was wollte Caterina damit zum Ausdruck bringen?«
»Keine Ahnung«, gab er zu. »Vielleicht wollte sie mir zum allerletzten Mal eins
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