Der König Der Komödianten: Historischer Roman
als wett. Es klang, als würde ihn jemand langsam erdrosseln, bis er nach Luft schnappte und dann rasselnd weiteratmete, so lange, bis abermals die Strangulationsgeräusche einsetzten.
Bernardo vervollständigte die Tonkulisse, indem er im Schlaf redete, das meiste unverständliches Gemurmel, aber einmal sagte er deutlich: »Ich erwürge ihn! Ich drehe ihm den Hals um!«, während Baldassarre in lautmalerischer Kongruenz dazu röchelte.
Ich stand auf und ging zum Fenster. Es war einen Spalt offen, und auch die Läden waren nur angelehnt. Ich drückte sie auf und blickte hinaus. Um diese Zeit in der Nacht war es rund um unser Gut immer völlig finster gewesen, doch hier sah man vereinzelt den Widerschein von Licht. Es bildete diffuse Flecken auf dem Kanal und hob die Umrisse der Dächer hervor. Während ich dort stand und schaute, trieb unten vor der Herberge eine Gondel vorbei, der nächtliche Ruderer ein stummer Schatten auf der Bootsabdeckung, das Gesicht schwach erhellt von der Laterne am Bug.
Seine Züge wirkten gespenstisch bleich und starr, und als ich genauer hinschaute, bemerkte ich unterhalb der Hutkrempedie helle Halbmaske. Augenblicklich war mein Interesse geweckt. Ich wusste, dass man sich in Venedig zur Karnevalszeit maskierte, doch lag diese schon eine Weile zurück. Ob er ein Schauspieler war? Oder jemand, der heimlich oder gar mit üblen Absichten unterwegs war und deshalb nicht erkannt werden wollte?
Am nächsten Morgen erklärte mir Henry, dass das Maskenwesen in Venedig große Tradition besaß.
»Und zwar so sehr, dass man es sich andernorts kaum vorstellen kann«, sagte er. »Es gibt Leute, die ohne Maske überhaupt nicht mehr das Haus verlassen, schon gar nicht nach Einbruch der Dunkelheit. Auf Bällen und anderen fröhlichen Festen gehört die Maske zur Kleidung wie Wams oder Schuhe. Alle Welt geht sozusagen maskiert, zumindest bei Nacht. Der Rat erlässt alle paar Jahre neue Gesetze, um das permanente Maskentragen zu unterbinden, doch es hält sich niemand daran.«
Rodolfo verdeutlichte es mit einer Anekdote. »Einst wurde sogar verboten, dass maskierte Männer sich nachts in Frauenklöster schleichen. Worauf der eine oder andere sich fragte, ob es denn unmaskiert erlaubt sei.«
Nach dem Morgenmahl bat Elena mich, mit ihrem Großvater ins Badehaus zu gehen. Nach kurzem Zaudern stimmte ich zu, denn das Baden an sich war ein verlockender Zeitvertreib. Ich musste dieses Mal ja nicht unbedingt dabei einschlafen.
Baldassarres Augen leuchteten unternehmungslustig, als wir uns auf den Weg zum Badehaus machten. Henry hatte mir haarklein erklärt, wie man dort hinkam.
Die Luft war auf frühlingshafte Weise frisch, die Sonne angenehm warm. Ihr Licht tauchte die ganze Umgebung in Glanz, sodass es nicht weiter störte, dass es aus den Kanälen hier und dort nach totem Fisch roch.
Im Vergleich zum Vortag wirkte die überall sichtbarearchitektonische Prachtfülle auf mich nicht mehr ganz so überwältigend, doch immer noch gab es an jeder Ecke etwas zu bestaunen, vor allen den enormen Kanal, den wir bereits nach kurzem Fußweg erreichten. Es war nicht schwer zu erraten, dass es sich hierbei um den Canal Grande handelte, denn Henry hatte ihn mir ausführlich beschrieben. »Nirgends sonst gibt es protzigere Paläste, die so dicht an dicht stehen wie dort.«
»Das ist also die neue Rialtobrücke!«, sagte Baldassarre neben mir begeistert. Er wies auf einen reinweißen, marmornen Brückenbogen von beträchtlicher Breite, dessen Laufgang beidseitig von Ladenbauten flankiert war. »Das letzte Mal war sie noch aus morschem Holz.«
»Was meint Ihr mit das letzte Mal ?«, fragte ich, während wir die flachen Treppenstufen der Brücke erstiegen.
Baldassarre antwortete nicht. Stattdessen schaute er in die einzelnen Läden und kommentierte beifällig das dort feilgebotene Warensortiment. »Sieh nur, dieser Händler hier verkauft Hornkämme. Damit habe ich ebenfalls schon glänzende Geschäfte gemacht.«
»Mit Kämmen?«
Der Alte nickte. »Es waren natürlich besondere Kämme. Heilige sozusagen. Es war sogar einer aus dem Besitz eines Apostels dabei.« Er runzelte die Stirn. »Ich weiß nicht mehr, ob es der von Johannes oder Matthäus war. Aber möglicherweise hatte ich auch beide. Auf jeden Fall hingen noch original erhaltene Apostelhaare darin, die waren im Preis inbegriffen.«
Vermutlich hatte er dazu auch passende klerikale Urkunden auf Lager gehabt, weshalb ich es nicht für nötig hielt, diese
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