Der König Der Komödianten: Historischer Roman
Angelegenheit näher zu ergründen. Eher bewegte mich meine vorangegangene Frage.
»Seid Ihr schon früher in Venedig gewesen?«
»Aber ja.«
Ruckartig blieb ich stehen. »Habt Ihr hier auch Geschäfte gemacht?«
»Vielleicht. Wenn ja, habe ich es vergessen. Es ist unendlich lange her.« Grübelnd blickte er über die Schulter zurück, zu einem großen Gebäude am Kanalufer, dessen Fassade mit verblichenen Freskenmalereien geschmückt war. »Höchstens ist es noch der Schatten einer Erinnerung.«
»Hat sie etwas mit diesem Haus dort zu tun, weil Ihr dorthin schaut?«
»Was? Junge, du stellst einem alten Mann aber schwierige Fragen! Ich weiß ja nicht mal mehr, was das für ein Haus ist!«
»Der Fondaco dei Tedeschi«, sagte jemand im Vorübergehen. »Das deutsche Handelshaus. Dort treffen sich die einflussreichsten Händler Europas, um wichtige Geschäfte abzuschließen.«
Ich geriet ins Stolpern und verbot mir, über dieses Handelshaus nachzudenken. Auch wenn Baldassarre jemals dort Geschäfte getätigt hatte, erinnerte sich bestimmt niemand mehr daran. Es war ja sogar ihm selbst entfallen.
Der Weg führte vom Ende der Brücke über eine breite Marktstraße und dann linkerhand vorbei an Häusern und Kirchen, gepflasterten Plätzen und malerischen Kanälen. Baldassarre schritt zielstrebig aus, als sei er bestens mit seiner Umgebung vertraut, aber ich hatte nicht vergessen, dass ich vor wenigen Tagen mit ihm stundenlang im Kreis herum durch Padua marschiert war. »Seid Ihr sicher, dass es zum Badehaus hier entlanggeht?«
»Aber ja«, sagte er. »Wir sind schon da.« Er deutete auf ein Haus hinter der nächsten Brücke. »Wusste ich es doch. Genau wie früher.«
Ich riss die Augen auf, als ich die Frau im offenen Fenster des Erdgeschosses sah, davon überzeugt, es mit einer Sinnestäuschung zu tun zu haben. Doch auch beim zweiten Hinsehen erwies sich die Frau als nackt. Jedenfalls ihr Oberkörper war es, den sie auf die übereinandergelegten Arme stützte und dabei gelangweilt über den Kanal blickte. Ihre Brüste hingen dabeiüber ihre Unterarme, zwei weißfleischige Säcke mit handtellergroßen rosa Spitzen.
»Wie früher«, sagte Baldassarre, der auf der Brücke stehen geblieben war.
Mit aller Macht riss ich mich zusammen und löste meinen Blick von den nackten Tatsachen im Fenster. »Was meint Ihr?«, fragte ich krächzend.
»Die Brücke und der besondere Ausblick, den sie bietet. Man nennt sie auch Ponte delle Tette . 20 Abends sieht von hier betrachtet fast jedes Fenster so aus.« Er deutete auf ein Haus gleich neben jenem, aus welchem die Frau ihre Brüste hängen ließ. »Und da ist auch schon das Badehaus. Jedenfalls war es dort früher.«
»Es ist immer noch da, Alterchen!«, rief die Frau im Fenster. »Und ein paar freundliche Schätzchen ebenfalls! Wenn du an bestimmten Körperteilen besonders sauber werden willst, frag nach Matilda und ihren beiden Bürsten!« Lachend bewegte sie sich auf eine Weise, die ihre Brüste in kreisförmige Schwingung versetzte. Ich konnte nicht anders, als zu gaffen.
»Ich kümmere mich auch um deinen Enkel, wenn doppelter Bedarf besteht«, rief Matilda.
Bei aller Unerfahrenheit fiel es mir leicht, aus dieser Äußerung gewisse Schlussfolgerungen zu ziehen, doch der Versuch, mir vorzustellen, wie sich Matildas Dienste mit dem Baden in Einklang bringen ließen, überforderte mich. Das würde ich mir in Ruhe durch den Kopf gehen lassen müssen. Sobald ich wieder denken konnte.
Mit heißen Ohren duckte ich mich hinter Baldassarre und stolperte hinter ihm her zum Badehaus.
Eine Frau in mittleren Jahren ließ uns ein und kniff bedeutungsvoll ein Auge zu.
»Nur Baden oder besondere Säuberung?«, fragte sie.
Damit konnte sie nur Matildas Bürstungen meinen! Mir stockte der Atem, und ich schwankte zwischen Furcht und Erwartung.
»Für die besondere Säuberung ist es ein bisschen zu früh am Tage«, befand Baldassarre.
Wieder schwankte ich zwischen zwei Empfindungen, diesmal Erleichterung und Enttäuschung.
In dem dampferfüllten Raum standen mehrere Zuber, doch es waren nur zwei Besucher anwesend, von denen jeder eine Wanne für sich allein hatte, obwohl die Zuber groß genug für zwei Leute waren.
»Einzeln oder zusammen?«, fragte die Badewirtin.
»Einzeln«, sagte ich.
»Ich setze mich zu einem der anderen Herren«, erklärte Baldassarre. »Das spart Wasser. Und verschafft mir Gesellschaft. Ein gemeinsames Bad kann Grundstein vieler fruchtbringender
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